Die schauspielerischen Qualitäten Liv Ullmanns sind über jeden Zweifel erhaben, auch da ihre über mehrere Jahrzehnte dauernde Partnerschaft mit Regielegende Ingmar Bergman zu den ganz Großen der Kinogeschichte gehört. „Persona“, „Szenen einer Ehe“ oder „Herbstsonate“ sind beispielhaft dafür, wie gut Filme funktionieren können, in denen nur eine Handvoll Charaktere vorkommen und welche von herausragenden Darstellern und einem gut geschriebenen Drehbuch getragen werden. Denn Bergmans Dialoge waren immer faszinierend zu verfolgen und seine Schauspieler liefen unter seiner Regie stets zu Höchstleistungen auf. Liv Ullmanns Regiearbeit „Fräulein Julie“ hat immerhin Jessica Chastain zu bieten; eine Frau, die das Kino binnen weniger Jahre eroberte und momentan zu den besten Schauspielerinnen überhaupt gezählt werden darf. Neben Chastain fährt der Film ebenso Schönling Colin Farrell sowie Samantha Morton in einer Nebenrolle auf. Doch vor allem bietet der Film neben seinen Darstellern ein katastrophal adaptiertes Drehbuch von August Strindbergs titelgebender Tragödie.

Es stellt sich die Frage, warum die 1938 in Tokio geborene Schwedin Ullmann sich gerade dieses Projekt aussuchte. Ihre bisherigen (zudem mäßigen) Regiearbeiten lassen sich an einer Hand abzählen – und wirklich keiner würde es ihr verübeln, wenn sie sich zur Ruhe setzen würde. Doch sie mutet sich ein Projekt zu, dass genau die Richtung früherer Werke Bergmans einschlägt, die ihrem Film in allen Belangen überlegen sind; selbst die kaum vorhandenen schlechteren. Und die richtig guten Werke Bergmans wickeln den Zuschauer wie eine Spinne in ein Netz und lassen ihn bis zum Abspann nicht mehr los. Bei „Fräulein Julie“ jedoch guckt man bereits nach fünfzehn Minuten auf die Uhr und es wird einem Angst und Bange bei dem Gedanken, dass der Film die nächsten zwei Stunden genauso weitergehen könnte, wie er begann. Aber – und das ist das Schlimme – der Film stürzt weiter ab. Mit fortlaufender Spielzeit strapaziert er zusehends Nerven und Geduld. Wenn die letzte Szene ausgeblendet wird und der Abspann einsetzt, werden viele Kinobesucher den Saal bereits vorzeitig verlassen haben. Die übrig gebliebenen werden einen bizarren Mix aus Erlösung, Wut und noch immer vorhandener Langeweile verspüren. Immerhin hat Ullmann mit „Fräulein Julie“ Emotionen ausgelöst; wenn auch komplett falsche.

Meinungen

Teile uns deine Meinung zu „Fräulein Julie“ mit. Die Angabe eines Namens, einer korrekten E-Mail-Adresse sowie der Kommentartext sind verpflichtend. Alle Meinungen werden moderiert.

Kinostart: 16.02.2017

Elle

Paul Verhoeven kehrt zum Wechselspiel der Moral in der humanistischen Rücksichtslosigkeit zurück.

Kinostart: 08.12.2016

Right Now, Wrong Then

Hong Sang-soo parodiert die Macht der Wahrnehmung, indem er sie egoistisch nacherzählt.

Kinostart: 01.12.2016

Die Hände meiner Mutter

Florian Eichinger blickt realitätsbewusst auf die Anatomie und Konsequenzen des Missbrauchs.

Kinostart: 17.11.2016

Amerikanisches Idyll

Ewan McGregors Regiedebüt bemüht nur ein vages und moralinsaures Porträt einer Radikalisierung.

Mr. Long

Sabu, Japan (2017)

Zerbrochene Leben und einstürzende Neubauten: In seiner neunten Berlinale-Teilnahme schickt Sabu Rindersuppen in den Wettbewerb.

Wilde Maus

Josef Hader, Österreich (2017)

Selbstmord durch gefrorenes Wasser: Josef Haders Debüt als Regisseur ist ein harmloser Film über Kommunikation und Schnee.

Occidental

Neïl Beloufa, Frankreich (2017)

Italiener trinken keine Cola! Neïl Beloufa verzettelt sich in seinem chaotisch-absurden Kammerspiel-Debüt.

Tiger Girl

Jakob Lass, Deutschland (2017)

Freiheit durch Reduktion: Jakob Lass’ dritter Langfilm zeigt erneut befreites, deutsches Kino basierend auf einem Skelettbuch.