Dieser Steven Knight wieder. Wer das sein soll? Obwohl kaum erheblich, ist seine Funktion als Drehbuchautor des neuen Bradley-Cooper-Vehikels „Im Rausch der Sterne“ durchaus nennenswert. Seien es Bezüge zum Katholizismus, speziell zu Wiedergutmachung und Buße, Vater-Sohn-Komplexe im Zwielicht der Verantwortung oder reichlich Flüche der Frustration – seine Markenzeichen kommen in jeder Arbeit zur Geltung, ganz gleich, welcher Regisseur sich ihrer annimmt. In diesem Fall ist John Wells keine Konkurrenz zur Unterdrückung der Themenkomplexe, als Jasager mit Fernsehvergangenheit mangelt es ihm aber auch an Geschick, diese umsetzen zu können. Stattdessen ist seine Erzählung über den Ex-Starkoch Adam Jones (Bradley Cooper) eine, die größtenteils Erwartungen erfüllt und stilistischen Einheitsbrei fabriziert. Dies ist nichts, worüber man sich aufregen kann, aber auch nichts mit Geschmack, der über ein beliebiges Comeback-Drama hinausgeht.

Das Edel-Gourmet-Milieu Londons hilft nur bedingt, da Konkurrenzdenken und Ambitionen hier einheitlich vonstattengehen und der Trieb zur Perfektion kein Auge dafür haben muss, was für die aus „Ratatouille“ entlehnte Kritikerzunft gekocht wird. Hauptsächlich Hektik macht sich bemerkbar, als genüsslicher Food Porn taugt das freilich wenig, obwohl Cooper galant den Meisterkoch mimt. Es zeigt sich aber, wie wenig Herzblut Knight in sein Skript investiert hat, wenn sich die Charakterzeichnung vor allem über Dialoge und universelle Rollentypen abspielt. Gern eingesetzte Brücken wie „Du weißt doch, damals in Paris…“ und „Wir zwei waren wie Brüder“ liefern Einbahnstraßen der Menschenkenntnis, die auch das Ensemble bis in kleinste Nebenrollen repräsentiert. Eine durchaus witzige Art der Verschwendung, diese kurzen und anspruchsfreien Auftritte von Uma Thurman, Lily James, Emma Thompson und Alicia Vikander.

Die meisten von ihnen machen sich als Schatten der Vergangenheit bemerkbar, denen sich Adam nach langer Zeit und Drogenabhängigkeit stellen will, nachdem er in Paris seine Karriere versemmelt hat und nun für Tony (Daniel Brühl mit unidentifizierbarem Akzent) ein Drei-Sterne-Restaurant auf die Beine zu stellen gedenkt. So viel jenseits der Leinwand passiert, aber für den Zuschauer nacherzählt werden muss, ist nicht Sinn des Mediums Kino. Jedenfalls will Adam ein Spitzenteam zusammenstellen und zwingt einige dazu, über ihren Schatten zu springen. Es ist Überzeugung vonnöten, sowohl, dass Burger King ein Nachfahre der französischen Bauernküche sei, als auch, dass sie bei ihm allgemein besser aufgehoben wäre – Anspruch in der Kochkunst und Gehaltsscheck zur Versorgung der Tochter einberechnet. Es muss ihm gelingen, das perfekte Menü für den Michelin-Restaurantführer zu kreieren, aber auch gleichzeitig die Schulden von einst zu begleichen. Er backt eben keine Küchlein, sondern gleich ein Soufflé.

Das Sicherheitsnetz einer zweiten Chance spannt sich seit jeher in den Charakteren und deren Narrativ auf, Wells’ Standardisierung erlaubt wenig Risiko, dafür vorteilhafte Zufälle in der Dramaturgie. Gibt man sich nicht ab und an, selbst beim Essen, mit dem Gewöhnlichen zufrieden? Reicht es nicht, ein gut aufgespieltes Ensemble beim Pingpong zu erleben? Schließlich erlaubt sich der Film im Verlauf einen bodenständigen Ton, strebt nicht ansatzweise so plakativ nach dem Happy End, wie er sich erlauben könnte, und lässt uns geradlinig mitfiebern, ohne seine Standardfiguren verzerren zu müssen. Die geben sich teilweise locker, obgleich ausschließlich Coopers Performance wahrlich titanische Momente aufführen darf. Muss man das sehen, obwohl es nicht neu ist? Vielleicht für eine Steven-Knight-Retrospektive – im schlimmsten Fall opfert man sich für hundert Minuten netten Konsens.

Meinungen

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