Everybody knows“ singt Leonard Cohen am Ende dieses Films über die Karriere von Lance Armstrong – und so sehr es der Streifen selbst nicht glaubt und stattdessen die Korruption innerhalb seines Ensembles anspricht: Man weiß bereits alles, bevor man den Schritt ins Kino für Stephen Frears’ neues Werk, „The Program – Um jeden Preis“, wagt. Nichts an diesem routinierten Sportlerporträt spricht eine distinktive Sprache oder bietet etwas an, das nicht schon in einer routinierten Dokumentation auf hiesigen Nachrichtenkanälen aufkam. Passend dazu gibt es das unsägliche Stilmittel der Freeze-Frames, über welche die Namen der Charaktere sowie Orts- und Jahresangaben geklatscht werden, damit man ja vermeidet, diese auf natürlichem Wege ins Geschehen einbinden zu müssen und doch ein stimmiges Drehbuch zu schreiben, das womöglich mehr darstellt als die bloße Chronologie des Dopingskandals um Armstrong (Ben Foster) und sein Team.

In dieser bleibt keine Zeit für Charakteretablierungen, die vielleicht zur Sympathie anregen und dem Zuschauer in der Offenbarung der Wahrheit den Boden unter den Füßen wegziehen könnten. Stattdessen radelt der Film in einem Tempo durch seine Nicht-Geschichte, die ungefähr so gleichgültig wirkt, wie die letzten zwanzig Minuten von „Fantastic Four“ in Dauerschleife. Infolgedessen lernt man nur rudimentär vom ewigen Ehrgeiz Armstrongs, natürlich auch von seinem Kampf mit Hodenkrebs, damit im Ansatz Ambivalenz etabliert wird, doch selbst da hetzt sich der Film durch eine Standard-Dramatisierung mit Standard-Bildern und einem Standard-Soundtrack, der genauso austauschbar ist wie der Einsatz von Ramones-Stücken bei verschiedenen, doch visuell stets gleich aufgelösten Radrennen. Auf diesem Wege wird das Interesse natürlich nicht mitgenommen, es sei denn, man fragt sich, wie die Mannen um Armstrong so oft (in ermüdend repetitiver Form) einer positiven Diagnose von Dopingmitteln entgehen konnten. Abwechslung bieten höchstens die Nachforschungen des skeptischen Journalisten David Walsh (Chris O’Dowd), doch selbst dieser wird eher ein Stichwortgeber zur narrativen Pflichterfüllung, als jemand, mit dem es sich mitzufiebern lohnt. Gibt es überhaupt einen Aspekt, dem der Film nicht egal ist?

Nun, zumindest die Darstellung von Ben Foster hat etwas für sich, da er die vermeintliche Ikone Lance Armstrong authentisch malt und als raffinierter Täuscher Sympathien auf sich zieht. Solange er damit davonkommt, sind die Siege für ihn auch mental verdient – aber für einen derartigen Charakterzug hält sich der Film doch zu vage, oberflächlich und zu allem Übel redundant. Ihm fällt nämlich hauptsächlich nichts mehr ein, als die bloße Wiedergabe der Geschichte; derart aufs Wesentliche konzentriert, dass sie darüber hinaus keinerlei Stoff zur Diskussion anbietet. So ist es passiert, ab und an wird spekuliert und dramatisiert – doch im Grunde erhält man einen umfassenden, filmgewordenen Wikipedia-Artikel. Wer wirklich nur das sehen und sich informieren will, für den ist „The Program“ zumindest eine flotte Rekreation vergangener Ereignisse (allerdings voll mit Archivmaterial), bei der keine Fragen offenbleiben. Aber wer will das schon? Schließlich gilt doch: „Everybody knows.

Meinungen

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