Wer glaubt, dass sich Zack Snyder nach unzähligen Kontroversen zu seinem „Man of Steel“ für die Fortsetzung „Batman v Superman: Dawn of Justice“ auf die Meinungen der Fanboys und des Konsenses stützt, wird überrascht sein, dass seine Vision einer letztlich vereinigten Superheldengarde nur noch eigensinniger gegen jene Erwartungen anläuft, die das Marvel-Franchise in den letzten Jahren salonfähig gemacht hat. Ihm ist also ein weiteres Unding bar jeder Homogenität gelungen, das mit Sicherheit von vorne bis hinten zerrissen wird. Und eigentlich wäre dies auch verständlich, so entschieden das Endprodukt von einer gewohnten Filmerfahrung abweicht und mehr versucht, als es schlucken kann. Im klassischen Sinne kann das Konzept auch einfach nicht zusammenkommen: Die Vermengung der Comic-Topoi mit halbwegs geerdetem Realitätsanspruch war unter Christopher Nolan schon eine delikate Angelegenheit. Jetzt mit fantastischen Kreaturen aus dem Weltall in der Mitte scheinen die Wege grenzenlos; ein garantiertes Chaos und doch ein Fest für die Sinne. Dementsprechend setzt Snyder seine Stärken audiovisuell um, virtuos wie ein Comicpanel und in konsequent finsterer Aura, als wäre jede Einstellung einem Fresko des ikonischen Eskapismus gewidmet. In puncto Logik und Charaktermotivation ist er sich jedoch unschlüssig und wendet elliptische Montagen an, die den Zuschauer inmitten eines übersättigten Plots geradezu ins Fieber fallen lassen.
Er geht dabei vom Wissen eines Publikums aus, das sich dem Verlauf des Vorgängers sowie der popkulturellen Präsenz und Dualität jener Charaktere bewusst ist. Zumindest, was Batman respektive Bruce Wayne (Ben Affleck) angeht, werden einzelne Schlüsselmomente aber besonders effektiv veranschaulicht. Der Film gibt seinen Helden allerdings keine Chance, auf die leichte Naivität von einst zurückzufallen, seine Vigilanten haben unter der Kritik ihrer Mitbürger und folgenschweren Konsequenzen zu hadern. Es scheint eben noch immer unglaublich, dass eine gottgleiche Kreatur wie Kal-El alias Clark Kent alias Superman (Henry Cavill) unter den Menschen wandelt – Snyder akzentuiert dies auch durch einen vagen Fokus auf den Stählernen, der sein Selbstverständnis zum Guten und Gerechten beinahe durchweg schweigsam und arrogant vermittelt und mehr als Plattform für einen ethischen Diskurs funktioniert. Reue, Einsicht und Selbstaufgabe lernt er im Verlauf, doch es könnte nicht ferner sein vom herzlichen Ursprung seines Heldentums. Als Ergänzung verstärkt Snyder den nicht minder diskutablen Horror des Dark Knight gegen das Verbrechen, der mit übersteuerter Muskelkraft und Waffenbutler (Jeremy Irons) gnadenlos wie ein Fledermausschwarm rächt.
Eine neue Qualität der Brutalität überschattet das Handeln der Kontrahenten. Ihre Ursprünge verbinden sie aber auch als zwiegespaltene Waisen einer Welt, deren Szenarien Snyder und seine Autoren Chris Terrio und David S. Goyer aus einem Zeitgeist des Terrorismus, Menschenhandels, Kapitalismus und der Korruption schöpfen. Die Drastik, mit der das Politikum an der Fantasie exerziert wird, übertrifft sogar die Gewalt eines Nolan und wird in der ideologisch hantierenden Inszenierung von Nihilismus und Wut gekennzeichnet. Mit Empathie begegnet man sich dabei seltener; zumindest wenn es aber um die Geborgenheit der Weiblichkeit, sprich die bedingungslose Liebe zu Lois Lane (Amy Adams) und zur Mütterlichkeit geht, wird jede Gottheit weich – bezeichnenderweise muss auch Wonder Woman (Gal Gadot) als Spaßfaktor zwischen den Jungs einspringen, obwohl sie sich zunächst aus dem Trubel ohne Gewinner heraushalten will. Lex Luthor (Jesse Eisenberg) nutzt diese universellen Schwächen der im Herzen angeschlagenen Superheroes sodann aus. Sein Motiv, einen destruktiven Zweikampf zwischen den Parteien zu forcieren, bleibt jedoch undurchsichtig, während er sein Gegenüber im rasenden Sarkasmus umso mehr verunsichert und Visionen des kosmischen Wahnsinns bereithält. Eisenbergs Luthor ist besessen von den Konzepten der Mythologie, die sich im Zweikampf von Mensch und Alien wiederfinden, Schlachten zwischen Himmel und Hölle suggerieren und schließlich in Ritterrüstungen münden, die ein Zepter unbekannter Kraft bergen – „Excalibur“ lässt grüßen.
Das Seltsame ist Herr dieses Comicfilmuniversums, das sich vom Altbewährten abheben will. Und wie beim Vorgänger hilft es, das Verlangen nach Schema F in jenem Spielfeld der Fantasie auszublenden – umso perplexer sitzt man jedoch im Kinosessel, wenn sich der Blick in eine faschistische Dystopie unter Superman ereignet, der irrationale Schlagabtausch unter Metropolis und der Nachbarstadt Gotham verstrahlte Früchte des Unmöglichen trägt, die Welt der Träume sich nach Vermisstem sehnt oder die merkwürdigsten Kreaturen ihre Aufwartung machen. Auch die geläufigsten Prozesse des Genres verlaufen hier in seltsamste Bahnen. Einigermaßen zusammengehalten wird diese Ekstase der Unsicherheit vom roten Faden einer Art politischen Thrillers, den Chris Terrio als Mitstreiter aus Afflecks „Argo“-Tagen zudem mit einem natürlicheren Dialog unterlegt als jenem stichpunktartigen Stoff im Vorgänger. Aber auch Terrio kann nicht verhindern, dass die Unvereinbarkeit der Elemente teils überflüssige Ecken und One-Liner hervorholt. Der Versuch von Humor ist höchstens löblich, aber ein erfolgloses Unterfangen angesichts der Schwere, mit der Snyder sein Universum abseits und mitten im Komplex allzu reeller Verzweiflung zeichnet.
Fast kategorisch verweigert sich der Film nämlich einer simplen oder anhaltenden Lösung globaler Abgründe, wie sie in den Jahren zuvor durch den Charakter Supermans weit farbenfroher möglich war. Snyder jedoch lässt die Desillusionierung in den Superheldenzirkus einziehen. Und obgleich sich jene Reflexion allmählich dem Diskurs von Gerechtigkeit und Selbstgerechtigkeit, Macht und Missbrauch nähert, wie sie in der „Dark Knight“-Trilogie ambivalent an der Tagesordnung war, ergänzt sie in diesem Fall noch das Unikat eines anorganischen Epos, das seine Kontroversen brachial verschärft, ehe es sie deeskaliert. Die Ideale der Vorlagen sind vergebens, Puristen kommen wahrscheinlich gar nicht zur Ruhe. Wenn man bedenkt, in wie viel Dunkelheit und Explosion sich das Unternehmen gegen Akt drei hüllt, sind Diskussion und Kritik zur Genüge angebracht. Snyders Frankensteinmonster eines Films, wie ein Bizarro zum eigentlichen Supermanfundus, ist gewiss auch abweisend in seinen Ambitionen, weder als Trivialunterhaltung noch als Prestigeprodukt auf Anhieb (be)greifbar, und mit Stolperschritten in der eigenen Imposanz unterwegs.
Dass es existiert, ist ein Wunder. Und da knallt es eben auch wie ein Springteufel um jede Ecke, selbst wenn Snyder die Zerstörungsrate und Kollateralschäden auf konzentrierte Portionen zurückschraubt, die Aufregung an seinem Horrorszenario des Comickriegs aber gewiss voller morbider Eindrücke und digitalem Bombast vorführt. Es lässt sich ganz verwundert bewundern, auch inwiefern eine Glorifizierung der Helden durch Zynismus eigentlich unmöglich wird und letzten Endes doch mit dem Pathos eines modernen amerikanischen Mythos füttert. Ein Blockbusterevent für die ganze Familie bietet sich kaum an, und die Hoffnung eines Sonnenaufgangs der Justiz, wie sie im Titel suggeriert wird, muss wohl auf die nächsten Filme warten. Es beglückt allerdings, wenn das ohnehin visuelle Medium des Films Schallmauern und Atmosphären durchbricht und atemberaubend innerhalb der Energie eines Megaduells mitfliegen lässt. Und Snyder hält einige berauschende Bildkompositionen abseits von Ideologie und Story bereit, die dann am Schönsten wirken, wenn sie zum selbstlosen Helfer der Erde zurückfinden. Davon könnten nachfolgende Filme gut nähren – bis dahin erfordert dieses Chaos des anfänglichen Misstrauens, der Boshaftigkeit einzelner Fronten und mühsamer Einigung aber eine Menge Toleranz für ruppiges Genrekino. So etwas hat man jedenfalls noch nicht gesehen.
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