Jeder Witz hat sein Haltbarkeitsdatum, jede Form der Unterhaltung eine unvermeidbare Fallhöhe. Doch die Träger der eskapistischen Entlastung erschaffen sich natürlich nicht selbst, sondern stammen vom Menschen. Umso leichter kann dieser mit in die Tiefe gerissen und im Sand begraben werden, dort im Niemandsland des vergessenen Esprits. In Rick Alversons „Entertainment“ begleiten wir solch ein Wesen ins Delirium. Wo kann man folglich besser anfangen als im Gefängnis? Die Witzparade von Gene alias Neill Hamburger findet hier noch die meisten Lacher. Sein Erfolgsrezept: ein Anti-Humor voll grauenvoller Pointen und Respektlosigkeiten gegenüber dem Publikum und der Menschlichkeit im Allgemeinen. Darsteller Gregg Turkington beherrscht sein Alter Ego nicht bloß von ungefähr, sondern macht die Hässlichkeit seit Jahrzehnten in der amerikanischen Stand-up-Comedy zum Markenzeichen. Der tropfende Pomadenscheitel mit Hornbrille und übergroßem Smoking auf der Bühne speit seinen Unterhaltungswert mit entsprechend ätzendem Gift heraus. Im Kontext zu Alversons Aufzeichnung eines drögen Wüstenamerikas macht die Infusion dieses Hasses am ehesten Sinn. Der Horizont verläuft in karge Flächen, ist gepflastert mit Autokadavern und ausgehöhlten Städten, die von der mangelhaft vertretenen Zivilisation begafft werden.
Viel mehr bleibt ja nicht übrig, um sich Luft in der Leere zu verschaffen, sprich das Wachkoma für einen Augenblick per pervertierter Lockerung zu unterbrechen. Diese Mission der Ablenkung rotzt unser Komödiant auch seinem neckenden Publikum entgegen. Dass er es von dessen Problemen ablenken will, funktioniert er gerne zum Vorwurf um – so ironisch, dass es in seiner Härte jedes Lachen erwürgt. Ein Meister der Grausamkeit kann aber auch nur in einer Welt geboren werden, die grausam macht. Die Aussicht auf spärliche Gigs und billige Motels ziehen ihn herunter, das Soziale prallt regelrecht an ihm ab. Freunde, Bekannte und Verwandte kommen und gehen abseits der Kontrolle oder gleichmäßiger Szenenfolge. Kein Buddy ist für den entlastenden Austausch im Dialog zur Stelle – erst recht nicht Genes Tochter, der er immer nur auf die Mailbox sprechen kann. Die Tour ins Nichts begibt sich dabei in die vielleicht nüchternsten Bilder und Toilettenkeime des Filmjahres, dass es dem existenzialistischem Albtraum nur gerecht wird. So, als wäre Bowman in „2001: Odyssee im Weltraum“ nicht noch einmal geboren worden, sondern auf ewig im Zimmer des Alterns verblieben. Überhaupt krankt es an allem, aber kein Heilmittel steht bereit.
Es geht abwärts, Tag und Nacht, damit das Publikum (nicht) seinen Spaß hat. Alversons Film ist nicht gerade angenehm, drängelt aber auch nicht um Schockwerte oder tragische Lasten. Die Existenz ist in der dargestellten Gegend des Zerfalls in einer Hypnose gefangen und vom Gefühl verbannt – trostlos und gehässig zugleich. Die Laufzeit wandert gleichsam mit abgekoppelten Sequenzen durch Genes Limbus, lässt im Ton einige stumpfe Echos Showbizglanz nachhallen, während einen Schreie, Grillen, jaulende Kojoten und das erdrückende Nimmermehr umgeben. Im „Entertainment“ wird man keine Empathie und auch keine aufrichtigen Symbole finden – vielmehr folgt der Zusammenbruch mit aller Selbstverständlichkeit. Dass er trotzdem wehtut und nicht nur den Protagonisten verletzt, muss man wohl nicht extra erwähnen, wenn es weniger im Herzen schmerzt als im Magen. Alverson schlägt mit schwer dechiffrierbarer Brutalität aufs Gemüt – eine Punchline ohne Gnade, dieser Film der blanken Hässlichkeit.
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