Alles geht auf, nur die Sonne nicht. Denn die humanoide künstliche Intelligenz Ava unterliegt den Zwängen ihres Schöpfers und lebt fern der menschlichen Zivilisation, wo ihre Existenz nur zu Testzwecken eine Rolle spielt. Außen ein Dschungel in den Bergen, der lateinamerikanische Züge trägt; innen ein sklavischer Betonpalast ohne Fenster, dessen einzige Funktion die Überwachung des Fortschritts ist. Ava mag vielleicht wie ein Mensch denken und agieren – aber sie wird immer ein Objekt des Menschen bleiben. Alex Garland hadert in „Ex Machina“ mit diesen konträren Motiven, als ob er die Ästhetik des Architekten Frank Lloyd Wright filmisch wiedergebären wolle. Wright war es schließlich, der mit seiner Pittsburgher Villa Fallingwater die Gegenwart der dreißiger Jahre in die Zukunft überführte, indem er das Gebäude zum Organismus umfunktionierte, das sich Ort und Zeit hinzugeben hatte. Nichts anderes thematisiert auch „Ex Machina“: die vollendete Zusammenführung des Inneren und Äußeren, des Maschinellen und Menschlichen, des Codes und der Seele.

So spielt der Film à la Spike Jonzes „Her“ in naher Zukunft, in der Suchmaschinenriesen und Mobilfunkhersteller die Mimik ihrer Nutzer unbemerkt einfangen und speichern, um künftige künstliche Intelligenzen mit dieser Big Data zu füttern und dadurch mit den Wesenszügen des Menschen auszustatten. „Ex Machina“ wirkt dennoch beinahe unzeitgemäß stiefmütterlich; denn der Film nutzt jene Erzählungen über die Herrschaft der Maschinen, die bereits ab den fünfziger Jahren Hochkonjunktur erfuhren – von Philip K. Dicks „Variante Zwei“ bis zu Isaac Asimovs „Der Zweihundertjährige“ – nur zum bloßen Wiederkäuen. Im Fokus steht weniger das Wissen um eine künstliche Intelligenz, die der Mensch als menschlich anerkennt, sondern das Wissen der künstlichen Intelligenz, die sich selbst als Mensch sieht. Dafür benötigt Garland erst einen Eindringling, der das System infiltriert: den jungen Programmierer Caleb (Domhnall Gleeson), der den ersten Preis in einer Lotterie seiner Firma Blue Book gewonnen hat, die nicht von ungefähr an eine Art Hybrid aus Facebook und Google erinnert. Das Goldene Ticket führt ihn in die abgeschirmte Festung seines Geschäftsführers Nathan (Oscar Isaac), der wie ein bärtiger Knacki aussieht, wie ein Alkoholiker trinkt und wie ein römischer Imperator künstliche Intelligenzen als Sklaven hält. Es fällt im Gegensatz dazu leicht, Caleb zu mögen, den schlaksigen Nerd mit Hühnerbrust und durchschnittlichem Selbstbewusstsein.

Im Film dient er allerdings einzig als Prototyp des guten Menschen, der sich einem Projekt des bösen Menschen unterwirft. Der Schöpfer präsentiert seine Forschung, fordert aber statt wissenschaftlicher Methoden die reine emotionale Wahrnehmung. Die Konfrontation zwischen Alpha- und Beta-Tier trägt „Ex Machina“ freilich nirgendwohin. Denn wo Mensch und Maschine kollidieren, ist es immer die Maschine, die für den Geist stimulierender wirkt, weil sie vielleicht aus den etablierten, organischen Konventionen fliehen könnte. Was gar zunächst mit theoretischen wissenschaftlichen Spitzen formuliert wird, führt letztlich in eine Erzählung, die vor ihren eigenen Twists fliehen muss und Garland als zweifelhaften Protegé Danny Boyles ausstellt. Ob Ava genug Mensch ist, um unter Menschen für einen Menschen gehalten zu werden? Ob eine Umdeutung des Turing-Tests die Natur des Tests zerschlägt oder fortsetzt? Garlands Antworten auf diese Fragen sind plump bis kleptomanisch: Denn er liefert sie erst gar nicht. Allein Alan Turings Methode, die eine künstliche Intelligenz auf ihre Fähigkeit zu denken prüft, bildet den Anker von „Ex Machina“. Es bleibt nicht mehr als ein bloßes Zitat, dem weder Ausführung noch Beweis folgt. Am Ende betrügt sich der Film gar als fadenscheiniger Thriller ohne Logik und Aussage.

Wesentlich interessanter mutet in der Zusammenführung des Inneren und Äußeren ohnehin die starke Betonung der Horizontalen an, die sich durch Wrights Fallingwater zieht und hier in Form eines weiblichen Sexandroiden Anwendung findet. Ein Gag, um den Garland nicht weiß. Obwohl er seine Augen nicht von den monolithischen Felsen, vom Bachlauf, Stahlbeton und den gläsernen Membranen lassen kann.

Meinungen

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