Hinter der Prämisse eines Films liegt immer auch eine Frage, der sich der Zuschauer in seiner arglosen, diffusen Imagination hingibt, bevor sich überhaupt eine Erzählung öffnen kann. Im Falle von Huck Botkos „Ich und mein Ding“ lautet diese: Wenn sich das männliche Genital seines Herren überdrüssig fühlt und in die Freiheit springt – was bleibt dann zurück? Oder relevanter: Wie uriniert unser Held dann? Nun finden sich in Botkos unzivilisierter Penisgroteske allerdings weder dringende Diskurse um die Sehnsucht des Glieds zu einem Körper noch anderweitige beeindruckende Entladungen, die dem Genre einer Komödie ihr Lachen einflößen könnten. Stattdessen folgt der peinlich samenlose Erguss über die Natur Rich Johnsons (Cam Gigandet), der es maximal sechs Wochen lang schafft, einer einzigen Frau treu zu bleiben, bis er mit deren Schwester respektive einer anderen paarungsbereiten Braut in die Laken hopst. Eigentlich müsste er das Spiel mittlerweile oft genug erprobt haben, um nicht entdeckt zu werden. Aber: Filme! Wenn schon lebensfern, dann richtig. Inklusive Bissspuren in der Intimgegend als Indiz des Seitensprungs.

Als Rich seine penetrante und penetrierende Sexualität jedoch anwidert, spult sein entwurzelter Ständer über Nacht eine Art Heimsuchung ab, welche die Konfrontation mit seinem ehemaligen Arbeitgeber sucht. Als Mensch (Nick Thune). Jawohl. Der einzig zündende Gag aber ist Richs Bekenntnis, fortan anal urinieren zu müssen, was gewissermaßen süffisante Gedankenspiele zulässt, da der Film an einer eben solchen hanebüchenen Anatomie leidet wie sein Protagonist. Dazwischen reibt sich Botko allerdings ausschließlich an der generischen Formel jedes Witzes über Genitalien im Allgemeinen oder über das männliche Fortpflanzungsorgan im Speziellen auf. Erstaunlich, dass diese mittlerweile Dutzend Male durchgekaute Ausgangsidee nicht mehr als schwache Erregung transportiert. Und am Ende, da steht nicht nur Richs Penis wieder, sondern ebenso seine Bereitschaft, ein guter Mensch zu sein, der seine Lust im Schritt hat. Hach ja, diese Filme. Immer schön weltfremd. Apropos: Wie wäre es mal mit einer energetischen Vagina, welche die Welt auf eigene Faust erkundet?

(Wenn Sie diesen Film trotz Warnung mochten, seien Ihnen die sprechenden Vaginas in „Pussy Talk“, „Pussy Talk 2“ und „Chatterbox“ sowie der ebenso gesprächige Schließmuskel aus Jesús Francos „El ojete de Lulú“ empfohlen.)

Meinungen

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