Welche „Legend“ verbirgt sich denn nun hinter der Geschichte der Kray-Zwillinge, die in den sechziger Jahren die Londoner Unterwelt beherrscht haben? Laut Regisseur und Drehbuchautor Brian Helgeland offenbar eine dreifaltige Saga über eine zum Scheitern verurteilte Beziehung, ein turbulentes Drama unter Brüdern und ein normaler Gangsteralltag mit Aufstieg und Fall. Über 131 Minuten lässt er sich Zeit, um alle Stränge unter ein historisches Dach zu kriegen, womit er sich allerdings leicht übernommen hat. Die Harmonie zueinander erreicht er nämlich öfter über Standardisierung, obgleich sich die Methode zeitweise selbst erschöpft und zur Schlussfolgerung eines jeden Biopics kommt, das seine wahre Geschichte abspult – siehe jüngst „Black Mass“. Was man sieht, ist nicht neu und beileibe nicht die erste Verfilmung des Stoffes, wie auch das Zeitkolorit mit Evergreens à la „I’m Into Something Good“ und „Going to the Chapel of Love“ untermalt wird und Voice-Over sowie Plansequenzen das Einmaleins des regulären Mob-Narrativs im Stile Scorseses emulieren. Überraschend ist, dass Helgelands Film trotz seiner beliebigen und bisweilen schizophrenen Grundlage recht kurzweilig ist. Womöglich liegt das auch am thematischen Fokus auf die Schizophrenie, die allein von Hauptdarsteller Tom Hardy ausgeht, der die Doppelrolle der Kray-Brüder Ronnie und Reggie übernimmt.
Unter anderem per ausgefeilter Computertechnik darf er genüsslich zwischen der frechen East-End-Manier Reggies und der psychopathischen Unberechenbarkeit Ronnies (mit Bane-Stimme) pendeln, wohingegen beide zusammen den anderen Gangs das Fürchten lehren und als Nachtklubbesitzer Schickeria sowie Gefolge in Bewegung setzen. Eine reizvolle Quelle amoralischer Pulp-Unterhaltung, die gerne blutig vonstattengeht, zwischenmenschlich allerdings grundsätzlich von relativ universellen Burschen erzählt, die nun einmal in ihrem Milieu wirken. Ein Stück Naivität behält sich der Film ohnehin durch Reggies Flamme Frances vor, die trotz Beschwerden ihrer Mutter Gefallen am Bad Boy findet und ihn dennoch auf den rechten Weg bringen will. Aus ihrer Perspektive leitet sich der Film dann größtenteils ab, der zwar schon dort nicht konsequent bleiben kann, aber dafür ein energetisches Epos über die Jahrzehnte errichtet, das mit Esprit prügeln und fluchen kann, Stärken und Schwächen seiner Familienbande aufzeichnet. Von einer konstanten Bonbonfärbung darf man dennoch sprechen, die den Film zwar enthemmt, aber auch Relevanz abspricht. Wie ernst soll man da die oberflächliche Behandlung der Liebesgeschichte nehmen oder gar die impulsive Gewaltbereitschaft Ronnies sowie dessen (zwielichtig dargestellte) Homosexualität?
Alles steht unter dem Schutzmantel des Plakativen, ist teilweise mit markigen Sprüchen, lächerlichen Politikern und Polizisten angereichert, die genauso gute Chancen haben, wie manche Ganoven als Running Gag zu enden. Es spricht aber auch durchaus für sich, dass Helgeland seine Burschen noch (unabhängig von der Wahrheit) als mehr oder weniger sympathische Selfmade-Men zeichnet, die aus der Unterschicht kommen, etwas aus sich machen, gegen Widerstände wettern oder bei Frau Mutter Kuchen mampfen, nachdem sie jemanden in den Kopf geschossen haben. Der mangelnde Respekt vor Autoritäten zieht weiterhin an und im Grunde wird ohnehin lediglich untereinander gekabbelt und gekillt, ehe man als Zuschauer große Mühen haben muss, die Distanz zu wahren. Sobald die Grenzen von Anstand und Würde verletzt werden, glorifiziert der Film seine Charaktere aber auch nicht und die Tendenz Richtung Pro-Kriminalität gleicht er ohnehin regelmäßig mit einem Richtungswechsel zu einem seiner drei Erzählstränge aus. Eine legendäre Kinoerfahrung kommt damit zwar nicht zustande, aber zumindest eine, die trotz ihrer bedienten Genre-Erwartungen keinen Bock auf Langeweile hat.
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