Allein ihr Look ist starker Tobak; eine popkulturelle Blessur der Fünfziger bis Neunziger. Aber Ricki Randazzo pfeift auf die Bourgeoisie – denn Ricki Randazzo hat Meryl Streep. Mit blauem Mascara, Braids, Heels, Leder, Ketten, Schnallen und Riemen dröhnt sie den Rock von gestern (Tom Petty) und manchmal auch den Pop von heute (Lady Gaga). Darin findet Regisseur Jonathan Demme vor allem ein „Los Angeles Chainsaw Massacre“ mit kirschroter Gibson statt Kettensäge, das zwischen Boho-Rockabilly-Flair und Achtziger-Jahre-Yuppi-Melodram tänzelt. „Ricki – Wie Familie so ist“ schnallt sich im Grunde einen Demme’schen Gürtel um, der in einem Konglomerat aus „Stop Making Sense“, „Rachels Hochzeit“ und „Die Mafiosi-Braut“ versucht, über die Beziehung einer Mutter zu ihren drei Kindern zu erzählen. Und das funktioniert so gut, wie es teilweise schlecht funktioniert. Eine aber funktioniert gewohnt furios: Meryl Streep. Denn ihre Ricki ist ein altes, ordinäres Girl unter Dauerstrom – mit Gitarre in der Hand und Star-Spangled Banner auf dem Rücken.

Wie alle Bluesrockqueens gibt sie sich jedoch lieber als liberale, exquisite Mum im Granny-Alter, denn wirklich eine zu sein. Die Folge: Für ihren früheren Ehegatten (Kevin Kline) und ihre mittlerweile erwachsenen Baby-Boom-Wonneproppen (Mamie Gummer, Sebastian Stan, Nick Westrate) existiert sie lediglich als absurde, fast vergessene Postkartenanekdote, die für ein Geschichtchen taugt – oder zwei. Derweil ackert Ricki tagsüber in einem „Organic is the new shit“-Supermarkt an der Kasse. Bis ihr Verflossener aus Indiana anruft und ihr mitteilt, wie es um ihre gemeinsame Tochter steht, nachdem diese von ihrem Mann verlassen wurde. Ricki kennt die zweifelfreie Lösung: Eine neue Frisur, ein Schmalzkringel, eine Mani- und Pediküre müssen her! Jene Konfliktscheu deformiert Demmes spielfreudiges Aphrodisiakum aber, welches nicht mit einem nennenswerten Narrativ lockt, sondern nur kurze Fragmente einer Familie zu zeigen bereit ist. Damit stilisiert „Ricki“ jedoch eine Gute-Laune-Kultur, die in Diablo Codys Drehbuch lediglich zu Beginn in schnippischer Schadenfreude tobt, während sie später in nichts einen unlösbaren Härtefall erkennen möchte.

Jonathan Demme ist seine Protagonistin letztlich nicht koscher – und scheut sich, dies zu erkennen. Aber gerade deswegen ist sein Film auch voller Widersprüche und Widersinn, eine bunte Reinkarnation der Institution Familie und ein arabeskes Musical, das Katharsis nur in Bruce Springsteens „My Love Will Not Let You Down“ finden kann. Ricki und ihre männlichen Bandkumpanen von The Flash (darunter Rick Springfield als Love interest) zeigen nämlich mit Verve und Drive, wie selbst pummlige Amerikaner in ihren Stühlen zu Fritten und Bier ruckeln oder sogar auf die Tanzfläche wanken. Ein wenig erinnert Demme dabei an Robert Altmans „Last Radio Show“ – nur fehlt ihm die unbedingte retroeske Ignoranz, die sich weder um eine Storyline noch um Perfektion schert. Meryl Streeps Anarchie aber sitzt und trägt. Und aus dem Kino wanken Zuschauer, die dennoch irgendwie glücklich sind.

Meinungen

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