Eines muss man diesem Remake lassen. Witzig ist das, bezeichnend: Aus „RoboCop“ wurde ein echter Maschinenfilm. Maschinen entstehen hier in Laboratorien unter antiseptischen Verhältnissen, keine Fettflecke, keine Materialkratzer, keine in Dreck watenden Oberflächen. Keine Anomalie oder gar fehlgeleitet Programmiertes. Blendende HD-Reinheit. So wirkt „RoboCop“, der Film, die Neuauflage, die mit den begehrtesten Updates bestückte und verbesserte Version. Der Publikumsmagnet. Ohne dem Gefühl, dass da etwas anbrennen könnte. Professionell geleitet, kein Platz für Wucherungen und Unterbrechungen. Glasklar, herausgeputzt, einfach keimfrei, gehört der Film seinem Abnicken, das er sich selbst zuschreibt. Jeder könnte etwas mit diesem Remake anfangen, sowohl die Smartphone-Tippse wie der nach Freitagabendabwechslung gierende Spätschichtabteilungsleiter, weil er so auf Nummer sicher geht, weil er in seinem wilden Umschaltspiel zwischen Reden und Randalieren kurzatmig ausfällt. Ein Ärgernis? Keinesfalls. Aber bei allen fair und unfair ausgespielten Verweisen zu Paul Verhoevens Originalfilm: Das Remake hintergeht mit seiner Intention, allen zu gefallen, jene provokative und aus dem Handgelenk geschüttelte Verstiegenheit, die Verhoevens Interpretation des Stoffes leidenschaftlich machte.

José Padilhas Ambition, den „Blechmann“ (Zitat: Jackie Earle Haley) flächendeckend ins Kino zu bringen, erstickt am Zwiespalt, Hochmut (gut) und Hochachtung (nicht gut) zu verschweißen. Erkennbar ist ein Hybrid, einerseits huldigend: launige Balleraction in einem Drogenversteck und auf einem stillgelegten Fabrikgelände, dazu die eingebaute Sicherungssperre, die es RoboCop verbietet, gegen Autoritäten juristisch vorzugehen, die ihn mitgestaltet haben. Andererseits legt der Film es darauf an, sich ungeachtet seiner bedächtigen Zitatlaune zu emanzipieren. Denn beide Filme und Entwürfe sind zu grundverschieden, als dass man sie konsequent gegeneinander aufhetzen könnte. Joel Kinnaman spielt, daraus resultierend, einen RoboCop, bei dem das Maschinelle und Menschliche einander abstoßen, ein RoboCop in Schwarz, auf dem Motorrad, mit Helm und einer darauf angebrachten Leuchtzeile, ein dufter Typ aus der Popkultur, dessen Rüstungspanzer aber aus aufgesteckten Bauteilen besteht. Die mühevolle Rob-Bottin-Handarbeit, verflogen ist sie, und damit auch ihre Rustikalität, ihre Wucht. Das ist symptomatisch. Außerdem: Liegt es an Kinnamans Schuhanzieherqualitäten oder warum wirkt sein RoboCop so verklemmt? Wie wegradiert, die melancholische Wärme, der tiefe Blick, der triste Augenkontakt. Nur eine Feststellung.

Das „RoboCop“-Remake hat de facto nicht viel übrig für Hintergründiges. Es kommuniziert wie ein Dosenblockbuster – der emotionale Appell in erwärmende Farben gestoßen, während der lästig ausgestanzte familiäre Kontext (in erwärmenden Farben) genauso Antrieb wie Motor für eine branchenübergreifende Verschwörungsgroteske ist. Viel Wert legt Padilha auf das erklärende Wort. Alex Murphy (Kinnaman) muss sich erklären, RoboCop muss sich erklären, beide schwadronieren ununterbrochen über Geistiges und Inneres. Tränenreich. Wie begossene Pudel. Padilha vertraut seinem Publikum kein Stück, das über Hilfestellungen verstehen muss, welche Stimmung gemeint ist. Ist das dann Satire, wenn RoboCop auf einer Parade ihm zu Ehren einen längerfristig gesuchten Verbrecher ausfindig und unschädlich macht, seine Aktion allerdings in der anschließenden Szene genauestens noch einmal, per Langbericht, aufgerollt wird? Wohl kaum. Doppelt hält besser. Mit Satire, Spott und Selbstentlarvung hat es dieser Film ohnehin nicht (mehr). Seine Bemühungen, in Form einer nach rechtsaußen gerichteten, spitzzüngigen Fernsehsendung („robophobisch“: Samuel L. Jackson) im Verhoeven-Stil, den politischen Gesetzkarneval zu karikieren, verfehlt seine Subversion – der Film ist ausdrücklich zu ernst und sein nachträglicher Zynismus deplatziert wie fehlkalkuliert.

Wobei die Systemfragen im Zuge dessen, die sich der Film stellt und seinen Schwerpunkt verschiebt, in der von verklärendem Terroristenterror heimgesuchten (US-)Moderne funktionieren. Wie viel Maschinenprävention verträgt eine zerrüttete Gesellschaft? Und bis zu welchem Grad dürfen Roboter, die menschlich denken, marktinteressengerecht ausgebeutet werden? Das Frankensteinmotiv eben – in einer diesbezüglich bizarren Szene bittet Murphy darum, zu sehen, was von ihm übrig ist, eine Hand, sein Kopf, ein Stück vom pumpenden Oberkörper. Kurz zuvor projizierte sich in seinen Verstand ein Traum vom Glück, der sukzessive von der Gegenwart überlagert wurde. Derartige stille, elegische Momente sind zwar rar, aber sie deuten an, wohin dieser „RoboCop“ gelangen, wie er ein keineswegs durchdekliniertes Themenspektrum verbreitern könnte. Aber das möchte er nicht. Er ist aufs blutleer-sterile FSK-12-Kloppen spezialisiert (Showdown!), aufs Overacting (nicht dass Michael Keaton und Gary Oldman gehörig Lust am Anfall haben), aufs Videospiel, und vor allem hier ist seine formale (NSA-)Perspektive mit am interessantesten: Bildschirme, Linien, Netze, Farben, Lichter überall. RoboCop ist in der Wegwischbewegung eingetrudelt, in der coolen Internetgeste, im Zeitalter der, leider, Informationsemotion.

Meinungen

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Bisherige Meinungen

7. Juni 2014
19:59 Uhr

Nicht weiter verwunderlich. Bereits der Trailer kam mir länger und langatmig/langweiliger vor, als der gesamter Verhoeven-Kracher. Nicht dass dieser langweilig wäre. Aber du verstehst meinen Punkt… ;)

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