Xavier Dolan müsste man heißen: jung, schön, die gesamte Filmwelt liegt einem zu Füßen. Und es ist tatsächlich schwierig, etwas gegen die Filme Dolans zu sagen, sind sie sowohl inhaltlich als auch optisch mehr als nur beachtlich für einen Menschen von gerade einmal 25 Jahren. Seitdem sein Debüt „Ich habe meine Mutter getötet“ (2009) die Filmwelt aufhorchen ließ, schlägt mit erschreckender Regelmäßigkeit beinahe jedes Jahr ein Dolan ins Kino ein. Zuletzt gewann er mit „Mommy“ in Cannes den Großen Preis der Jury; längst nicht der erste Preis, den Dolan für seine Filme erhielt. Sein vorheriger Beitrag „Sag nicht, wer du bist!“ hat von all seinen Filmen jedoch die wenigsten Wellen geschlagen, obwohl er ein ebenso ruhiger Film ist, der sich viel Zeit für seine Charaktere lässt. So fährt hier Tom (Dolan selbst) zu der Beerdigung seines ehemaligen Liebhabers und Lebensgefährten Guillaume. Guillaumes Mutter, nicht wissend, dass Tom der Liebhaber ihres Sohnes war, ist sofort angetan vom Jungen aus der Stadt. Ganz anders hingegen reagiert Guillaumes Bruder Francis auf die Ankunft: Dieser verachtet Tom von der ersten Minute an und lässt kein gutes Haar an ihm. Schnell fühlt sich Tom von Francis bedroht – aber ein Teil von ihm fühlt sich ebenso zu ihm hingezogen.

„Sag nicht, wer du bist!“ besticht optisch durch seine wunderschön tristen und in vielen verschiedenen Gelbtönen eingefangenen Bilder, wodurch er manchmal genau so stark inszeniert scheint wie „Laurence Anyways“. Erzählerisch hinkt der Film allerdings hinterher, obwohl hin und wieder das Können Dolans aufblitzt, beispielsweise in der grandiosen Tanzszene zwischen Tom und Francis. Leider sind diese Momente rar und der Film zieht sich phasenweise in die Länge, sodass überwiegend nur die Bildgestaltung in Erinnerung bleibt. Sehr schön beziehungsweise ansehnlich ist auch Dolan selbst, der in der Rolle des schüchternen, beinahe ängstlichen Tom eine seiner besten schauspielerischen Leistungen abliefert. Mit etwas mehr Spannung und Atmosphäre hätte der Film durchaus ein, wie im Vorfeld angekündigter „Neuer Hitchcock“ werden können. Doch Dolans Film ist zu verspielt, zu unausgegoren, um in diese Gebiete vorzustoßen. Aber wenn ein Regisseur irgendwann der neue Hitchcock werden kann, dann mit Sicherheit Xavier Dolan.

Meinungen

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