So schreitet er dahin im Glanze und Blitzen von hochauflösenden Spiegelreflexkameras, eine Drehung hier, ein Knicks dort, die Maskerade sitzt wie das Lächeln in Stein gemeißelt: Der gemeine Prominente endet als letzter, gieriger Happen des Journalismus. Es leuchtet rot im Meer des Erfolgs, blutrot.

CEREALITY ahmt die böse Seele des Betriebs um Ruhm, Strass und die getönten Scheiben herannahender Rolls-Royce nach – zunächst scheu, später ungehinderter, immer im Takt der Zeit, ob nun in im Staube von Mykene, Berlin oder Los Angeles. Selbst Blau war keine warme Farbe mehr und Rot schmiegt sich nun stattdessen wohlwollend in unser Sichtfeld. Zumindest für diese Zeit. Dabei reist ein treuer Weggefährte und güldener Abkömmling aller nennenswerten Filmreichtümer schnippend, johlend, wartend hinterher. Auf einem Podest reckt er seine Silhouette empor, ein Schwert fest in seinen Händen. Der Oscar lockt! Die Berlinale ruft! Das Feuer lodert!

Daß ich, ein Mensch, auf bunten Prachtgewanden soll hinschreiten, mir ist’s Grund zu mehr als eitler Furcht; ich will geehrt als Menschen, nicht als Gott mich sehn.

Agamemnon („Das unabwendbare Verhängnis“, aus: „Aischylos“)

Zunächst widmen wir uns in langen Fahrten, langen Schlangen, langen Tagen, lang zusammengepressten Gesäßen, leeren Mägen und kurz entspannten Nächten den Wirrungen der 64. Internationalen Filmfestspiele Berlin – in Berlin. Live! Enthüllend! Wild! Berlinesk! So sehen wir des größten Schatzes Kunst zerspringen („Monuments Men“) und die Nacktheit hinfort verrinnen („Nymphomaniac“, Langfassung), einen Zug sich durch Klippen zwingen („Snowpiercer“) und ein Ensemble und ihren Concierge rennen, winden und in einem Chaos der Pietät ringen („Grand Budapest Hotel“, Eröffnungsfilm).

Doch das wahre Biest naht erst später. Es verschlingt uns mit einem goldgesäumten Bissen, wechselt die ebenso güldene Weltkugel und ihre Gilden ab und lässt uns taumeln: In den Fängen der Oscars folgen wir lediglich seinem Ruf und dem seiner bisherigen besten Filme und möglicherweise kommenden Gewinner. Da packen wir die Jahrzehnte am Haken und rotieren ihre Insassen: eine Gesellschafterin ohne Namen flieht in Betrug und Täuschung („Rebecca“), ein Schriftsteller mit Namen weicht jeder Trockenlegung („Das verlorene Wochenende“), ein Boxer ächtet die Docks des Sozialdarwinismus („Die Faust im Nacken“), ein Sachbearbeiter doch bewegt des Schäfterstündchens Sitz („Das Appartement“), während ein Texaner den Kaugummi im Mund wälzt („Asphalt-Cowboy“) und ein Intellektueller den Dialog im Mund neurotisiert („Der Stadtneurotiker“), wie ein Dichter in der lieben Rhetorik glimmt („Shakespeare in Love“), einem Vater platzt die Midlife-Crisis vom Mittelstand („American Beauty“) und einer Ratte der Gips von der Hand („Departed – Unter Feinden“).

Gleichwohl säumt die Zukunft unseren Weg. Dort erleben wir Geschichten über alte Männer und das Meer („All is Lost“), über verbrannte Erde unter Sklavenfüßen („12 Years a Slave“), die Geschichte eines Staates im Mittleren Westen des neuen Okzidents („Nebraska“) und eine an der Küste der Gier im Schafspelz („The Wolf of Wall Street“), wir hüten Geschichten über den leichtgläubigen Klub aus Larry Hagmans Wirkstätte („Dallas Buyers Club“), über Gewühle und Gedränge („American Hustle“), über Sein und Werden („Philomena“) und nahe des behüteten Nervenzusammenbruchs („Im August in Osage County“), Geschichten von Lug („Die Bücherdiebin“) und Trug („Saving Mr. Banks“) und schließlich eine über Schriftsteller und sprechende Betriebssysteme („Her“). Geschichten des Lebens und Geschichten der Illusion.

Nicht allzu fern davon drückt das kürzlich veröffentlichte Frischfleisch auf unsere Linsen: Ben Stiller traumtänzelt „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ wie auch Pierre Dulaine „Dancing in Jaffa“ vorzieht, Jia Zhangke spürt „A Touch of Sin“, während Asghar Farhadi „Le Passé – Das Vergangene“ orchestriert, doch mehr noch explodiert „Lone Survivor“ und Xavier Dolan vollführt „Laurence Anyways“.

Wir danken Hussain Al Dossary für die Bereitstellung des Covermotivs. Ein besonderer Dank gilt Mato von Vogelstein.

Meinungen

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