Stephen Fingletons „SLR“ stand mit neun weiteren Filmen in der Vorauswahl für eine Nominierung bei den Oscars in der Kategorie „Bester Realkurzfilm“, wurde jedoch nicht nominiert.

Liam Cunningham, der neben „Good Vibrations“, „Hunger“ und „Kampf der Titanen“ vor allem wegen seiner Rolle als Davos Seaworth in „Game of Thrones“ bekannt ist, beteiligt sich immer wieder bei Kurzfilmen. Zusammen mit Ryan McParland sowie Amy Wren und Richard Dormer, die beide auch in „Good Vibrations“ mitwirkten, komplementiert er die Besetzung von Stephen Fingletons „SLR“ aus dem Jahre 2013. Der Nordire hat bisher vier Kurzfilme und einen Spielfilm („The Survivalist“, 2014) realisiert. Es geht um einen voyeuristischen Vater namens Elliot (Cunningham), der selbst geschossene Bilder von jungen Damen auf einer entsprechenden Internet-Plattform verbreitet. Zu seiner Tochter Alexa hat er ein distanziertes Verhältnis – das gesellschaftlich verbotene, neugierige Beobachten ihrer Schönheit stößt ihm selbst unangenehm auf. Als er zu Masturbationszwecken den Link „Teen Hottie“ seiner Plattform aufruft, während er genüsslich aus einer Tasse mit der Aufschrift „World’s Greatest Dad“ trinkt, erscheinen Close-ups von Alexa in Badekleidung. Erst als er ihr Gesicht erkennen kann, bemerkt er seine Tat. Schockiert schließt er die virtuellen Fenster, es macht Klick im kranken Gehirn und er sich auf die Suche nach dem heimlichen Fotografen.

Auf durchaus interessante, aber kaum originelle Art verweist Fingleton auf mehrere Problematiken und gliedert das Geschehen geschickt in eine zweiseitig beleuchtete Situation. Wäre der Vater nicht selbst aktiv in der voyeuristischen Szene, hätte er wohl nie die Existenz der Bilder vermutet, was den Denkanstoß gibt, dass das auf jede beliebige Tochter zutreffen kann, die sich im Sommer leicht bekleidet der Sonne präsentiert. Michelangelo Antonionis „Blow Up“ hat Fingleton inspiriert, die Grenze zwischen der Darstellung der Realität und wirklicher Realität könne von Grund auf verschieden sein. Außerdem bleibt noch immer die Eventualität, dass Elliot das Gesicht seiner eigenen Tochter noch aus Träumereien vor Augen hat, er diese Wahnvorstellungen jedoch durch das Aufspüren eines x-beliebigen Voyeurs austreiben will. Der Film wird zwar konkret, aber dennoch ist eine mehrdeutige Interpretation nicht auszuschließen. Parallel dazu rundet ein kurzes Statement zu Stalking aus Eifersucht auf Facebook die Story ab. Es ist heutzutage vollkommen legitim, die im Internet hochgeladenen Fotos von anderen genauestens zu beobachten, Facebook und Instagram bieten sich für die Analyse befreundeter Menschennetzwerke optimal an und erinnern deshalb in scheinheiliger Art an jene voyeuristische Plattform; nur mit dem Unterschied, dass Nutzer ihre eigene Digitalisierung vorantreiben, die nicht immer frei von Laszivität ist.

Meinungen

Teile uns deine Meinung zu „SLR“ mit. Die Angabe eines Namens, einer korrekten E-Mail-Adresse sowie der Kommentartext sind verpflichtend. Alle Meinungen werden moderiert.

Kinostart: 16.02.2017

Elle

Paul Verhoeven kehrt zum Wechselspiel der Moral in der humanistischen Rücksichtslosigkeit zurück.

Kinostart: 08.12.2016

Right Now, Wrong Then

Hong Sang-soo parodiert die Macht der Wahrnehmung, indem er sie egoistisch nacherzählt.

Kinostart: 01.12.2016

Die Hände meiner Mutter

Florian Eichinger blickt realitätsbewusst auf die Anatomie und Konsequenzen des Missbrauchs.

Kinostart: 17.11.2016

Amerikanisches Idyll

Ewan McGregors Regiedebüt bemüht nur ein vages und moralinsaures Porträt einer Radikalisierung.

Mr. Long

Sabu, Japan (2017)

Zerbrochene Leben und einstürzende Neubauten: In seiner neunten Berlinale-Teilnahme schickt Sabu Rindersuppen in den Wettbewerb.

Wilde Maus

Josef Hader, Österreich (2017)

Selbstmord durch gefrorenes Wasser: Josef Haders Debüt als Regisseur ist ein harmloser Film über Kommunikation und Schnee.

Occidental

Neïl Beloufa, Frankreich (2017)

Italiener trinken keine Cola! Neïl Beloufa verzettelt sich in seinem chaotisch-absurden Kammerspiel-Debüt.

Tiger Girl

Jakob Lass, Deutschland (2017)

Freiheit durch Reduktion: Jakob Lass’ dritter Langfilm zeigt erneut befreites, deutsches Kino basierend auf einem Skelettbuch.