Italien, eine wunderschöne kleine Stadt am Meer. Evan (Lou Taylor Pucci) schlendert fasziniert durch die kleinen Seitengassen. Vor wenigen Tagen ist seine Mutter gestorben, er musste von zu Hause fliehen, Reißaus nehmen: Reißaus von seinem alten Leben, seinen zugedröhnten Freunden, seiner Einsamkeit. Er ist in dieser kleinen italienischen Stadt gelandet – wie er hierher gekommen ist, scheint er schon gar nicht mehr zu wissen. Aber eins ist sicher: Er möchte vorerst bleiben, nimmt einen Job bei einem alten Farmer an und entdeckt die Gegend um ihn herum. Eines Tages trifft er Louise (Nadine Hilker). Evan verliebt sich sofort in sie. Louise ist wunderschön, intelligent und kein Mensch. Ein außergewöhnlicher Horrorfilm beginnt.

Das Regieduo um Justin Benson und Aaron Moorhead hat bereits 2013 einen kleinen, aber auf vielen Festivals gefeierten Film gedreht: „Resolution“ spielte gekonnt mit dem Genre und legte seinen Fokus auf die Freundschaft der beiden Hauptcharaktere. Der Übergang von Drama zu Horror war ein schleichender – und genau so ist es auch bei ihrem neuesten Werk „Spring“. Wer nichts über den Film weiß, könnte ihn anfangs noch für ein Selbstfindungsdrama à la „Into the Wild“ halten. Bis er nach einiger Zeit zeigt, was er wirklich ist und dem Zuschauer so gekonnt den Boden unter den Füßen wegzieht. Sowohl Aufbau als auch Tempo sind im Gegensatz zu gängigen Horrorfilmen fantastisch – allerdings verpasst es „Spring“ leider selbst, ein großartiger Film zu werden. Und das ist nicht nur schade, sondern ärgerlich. Die Figuren Evan und Louise sind nämlich schlicht und ergreifend unsympathisch und öde. Nicht nur hat man sich bereits nach wenigen Minuten an ihnen sattgesehen, sondern sie geben auch im späteren Verlauf keinerlei Anreize, sie interessant zu finden. Ein Problem, gerade wenn die Liebe zweier Charaktere Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist und dadurch das ganze Konstrukt des Films ins Wanken gerät.

Andrzej Żuławski hat mit „Possession“ 1981 einen Film gedreht, der „Spring“ sehr ähnlich ist. Doch dieser hielt die Charaktere von Anfang bis Ende so interessant, dass ein purer Sog entstand. Justin Bensons und Aaron Moorheads Film geht leider irgendwann die Luft aus, muss aber für seine guten Aspekte gelobt werden. Das Duo wird sicher noch einige Male beweisen, dass Horror mehr ist, als den Zuschauer alle paar Minuten mehr oder weniger sinnlos zu erschrecken.

Meinungen

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