Tamis (Debütantin Maayan Turjeman) Vater kommt nicht nach Hause. Frustriert nimmt die 22-Jährige den Topf vom Herd und fängt an zu essen. Sie schlingt die Nudeln löffelweise in sich herein, während ihr Tränen die Wangen entlang rinnen. Ihr sehnlichst vermisster Vater Moshe (Tzahi Grad) vergnügt sich derweil mit seiner neuen Freundin Iris (Tal Ben Bina). Doch Tami ist nicht nur Moshes Tochter, sie ist auch seine Dienerin, Sexsklavin, ein Objekt, welches er so behandeln kann, wie er es und wann er es für richtig hält. Trotz alledem betet Tami diesen Vater und seine Tyrannei an. Ohne ihn verletzt sie sich selbst, frisst wortwörtlich in sich herein, was niemanden in ihrer Umwelt interessiert – schon gar nicht ihren Vater, dessen Liebe sie im Akt hinnimmt, weil es die einzigen Emotionen sind, die bleiben. Tami weiß, dass sie dieses Leben zerstören wird. Doch egal, wie oft sie es versucht: Sie scheint von ihrem Peiniger nicht loszukommen.

Keren Yedaya hält in ihrem dritten Spielfilm „That Lovely Girl“ direkt und fortwährend auf die unglückliche Misere und das Leid. Ohne Kompromisse badet sie im Elend der ihrem Vater ausgelieferten Tami, was eine groteske Parallele zu der Vomit-Gore-Trilogie (2005-2010) des gelinde gesagt kontroversen Experimentalfilmregisseurs Lucifer Valentine herstellt, welcher die Lust auf und nach Fetisch gerne (und insbesondere mit reichlich Erbrochenem) auf die Spitze treibt. Obwohl die Herangehensweise wahrlich eine andere ist, diszipliniert Yedaya das Publikum jedoch ebenso, weil der Sensationseffekt durch permanente, monotone Wiederholung schließlich nur noch ausgenutzt wird. Vielleicht ist das in einer Beziehung dieser Art gerade treffend inszeniert – in ihrem Minimalismus fordernd oder gar spannend lässt es den Pakt zwischen Vater und Tocher aber noch lange nicht werden. Gerade eine Adaption der israelischen Poetin Shez bietet wesentlich mehr als die hier banale, einsilbige Abhandlung durch Keren Yedaya, die in der Vergangenheit durchaus fähig war, dysfunktionale Konflikte facettenreich zu definieren. Ihr Debütfilm „Or (My Treasure)“ zeigte da noch beinahe furios den alltäglichen Kampf zwischen der jugendlichen Tochter und ihrer Mutter, welche als Prostituierte arbeitet. Davon bleibt in „That Lovely Girl“ nichts mehr außer Frust.

Meinungen

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Kinostart: 16.02.2017

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