Auf so einer Insel wie Island gibt es offensichtlich nicht allzu viel zu tun, besonders dann, wenn man zwischen Berg und Tal, ohne Asphalt in der malerischen Einöde, unter Mitmenschen haust. Doch in jenem Mikrokosmos, den Benedikt Erlingsson entwirft, redet der Titel nicht umsonst Von Pferden und Menschen“, denn die vierbeinigen Freunde des Rittes sind in jenen Gefilden von funktioneller, wenn auch noch so abwegiger Wichtigkeit. In kurzweiligen Episoden jener etablierten Sozialität zwischen Mensch und Vieh erleben wir, wie die kauzigen Einwohner in zweierlei Arten untereinander umgehen, vom Dasein beim adligen Schimmelhalter bis zum besoffenen Pferdedieb. Keiner kann dabei wirklich von sich behaupten, das Getier zu verstehen, doch andersrum zieht das Verständnis ebenso eine verwunderte Schnute. Gleich zu Anfang merkt man nämlich, wie hilf- und ratlos der Mensch den animalischen Trieb über sich ergehen und dabei in seiner Ehre demütigen muss, obwohl die Spezies Homo sapiens im Folgenden einen weit kopfloseren Drang beweist.

Da wird auch per Ross im eiskalten Meer zum russischen Fischkutter geschwommen, um sich höchstprozentigen Alkohol zu beschaffen – gesund ist das nicht. Das Pferd aber kann lediglich mit dem formatfüllenden Auge in die kommunikative Leere blicken. So wechselt Erlingsson auch von einem Szenario ins andere – hin zu Personen eines schnell vermittelten Charaktermodells der Kauzigkeit, welche sich aber bei nur 81 Minuten Laufzeit stets begegnen, kennen und zusammengehören, wie sie es auch mit den sie transportierenden Tieren halten. Zusammenhalt ist ja auch von Nöten bei der eiskalten Natur, die für den Uneingeweihten schnell zur horizontal unübersichtlichen Schneefalle mutieren kann. Extremsituationen erfordern schließlich extreme Maßnahmen. Doch selbst dafür macht sich das Pferd unwissend, allerdings geradezu abgeklärt bereit. Es herrscht nun mal ein Kreislauf des Gebens und Nehmens, ein Traben von Lust und Schmerz, bei dem wir als Halter des unschuldigen Getiers weit öfter unbedacht ins Verderben laufen.

Regisseur Erlingsson stellt diesen einigermaßen natürlichen Zusammenhang ohne bemühte Konstruktion lediglich dar – da erübrigt sich jeder erklärende Kommentar in einer elegant-simplen Visualisierung der Selbstverständlichkeit, die genauso ungeniert mit folkloristischen Tönen die Kette der Lebewesen im Alltäglichen rascheln lässt. Denn jeder schneidet eh mit dickköpfiger Eigenwilligkeit den Stacheldrahtzaun durch, da ist man selbstgerecht wie der geile schwarze Hengst, aber auch resistent gegen die Albernheit der Konformität. Solch eine Menge an PS wird sich gerne abgeschaut und setzt zum Besteigen in den Feuchtgebieten an, während allesamt mit Ferngläsern zuschauen. Natur ist Natur, auch die menschliche – drum ist das Verzeihen des Gedemütigten vom Anfang nur allzu stimmig in seiner Einsicht der universellen Einigkeit. Denn so wie die Pferde auf dem Hof eingepfercht umhertollen, finden sich auch die Menschen auf dieser Insel noch immer in Liebe und Hilfe, in Wut und Suff und sowieso beständig im Ritt zusammen. Eben formvollendete regionale Glückseligkeit.

Meinungen

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