Bar jeder Bescheidenheit muss man schon zugeben, dass 2015 von Anfang an unentwegt Konflikte und Gewaltausbrüche en masse auf der Erdkugel herbei förderte – wie seit jeher eigentlich, aber nichtsdestotrotz bemerkbar. Das Feuer lodert selbst den Winter über hinweg und nicht mal ein Blizzard kann nationale und internationale Reibungen eindämmen. Parallel dazu verkennt auch das Kino diese Inbrunst nicht und fährt martialische Bilderwelten auf, die ebenso das Ringen der Individuen, Kulturen, Ideale und deren Mittel visualisieren. Ob nun Körper ineinander krachen, Schlagzeug malträtiert wird, die Natur zurückschlägt oder auch die Technik: Es kracht in Aug und Ohr, wenn die Menschlichkeit selbst in der Fantasie der Leinwand ihre Ekstase findet.
Die Filme im Februar
Ein bisschen Reflexion kann aber nicht schaden. So empfehlen wir fünf nach Kinostart sortierte Blicke ins Zelluloid, welche diesen Monat unser duellierendes Innenleben offenbaren und es uns mit entschiedener Obsession entgegen schleudern. Die vom Menschen erschaffene Technik überrumpelt ihren Schöpfer – und dabei kommt der neue „Terminator“ erst im Sommer raus.
Foxcatcher
Kinostart: 5. Februar. Regie: Bennett Miller.
John Eleuthère du Pont (Steve Carell) liebt Vögel vielleicht mehr noch als Körper, die einander umkreisen. Die Ornithologie erzählt ihm von den Schwingen und Kanten im Gefieder – und sie beobachtet mehr, als sie erzählen kann. Dafür schweigt sie immerzu. Wie du Pont selbst. Wenn er spricht, dann langsam, gefällig, bedacht. Bennett Millers „Foxcatcher“ erstarkt dadurch, obwohl er du Pont in seinem Wahn nicht greifen kann. Stattdessen zwingt er, zu verstehen. Und weil man in ungeahnter Tragweite versteht, wird der Film zu aussichtslos schönem Kino. Bennett Miller schafft noch Film, der atmen kann und schlucken muss. Und wenn man sich bislang unsicher war, ob Miller nach der lustvollen Biografie „Capote“ (2005) und dem Baseball- wie Statistiker-Vehikel „Moneyball“ (2011) die dritte kohärente Geschichte über ein aus den Fugen fallendes Amerika stiften könnte, dem sei gesagt: Es sitzen noch Wunderkinder da draußen. Und Bennett Miller ist eines von ihnen.
Inherent Vice – Natürliche Mängel
Kinostart: 12. Februar. Regie: Paul Thomas Anderson.
Paul Thomas Andersons „Inherent Vice“ bricht Regeln. Die Regel von einer kohärenten Erzählung genauso wie die Regel, eine Erzählung müsse zu etwas gut sein oder zu etwas führen. Aber Andersons ornamentaler Rohrkrepierer-Epos ist auch ein Genuss über die Zweifel der Unterhaltung. Denn wer alle Regeln bricht, die in heutigen Lichtspielhäusern gelten, der sieht einen Film mit Joint in der einen und Bier in der anderen Hand, streckt die Beine weit aus und dreht sich Lockenwickler in die Haare. Am Ende ist Larry Sportello eine Täuschung, die sich selbst erliegt. Und „Inherent Vice“ ein Film, der gar nicht mehr nur Film sein möchte, sondern ein psychedelischer Drogenschlager über diese womöglich winzig kleine Synapse in unserem Kopf, die nach dem nächsten Zug lechzt. Vielleicht dem Zug nach Hause, vielleicht dem Zug in Thomas Pynchons Hirn. „Inherent Vice“ ist ein Old-Fashion-Fuck, wie er in der Lokalität Chick Planet Massage angeboten wird: stimulierend mit einem Schlag auf den Hinterkopf.
Von Menschen und Pferden
Kinostart: 19. Februar. Regie: Benedikt Erlingsson.
Auf so einer Insel wie Island gibt es offensichtlich nicht allzu viel zu tun. Doch in jenem Mikrokosmos, den Benedikt Erlingsson entwirft, redet der Titel nicht umsonst „Von Pferden und Menschen“, denn die vierbeinigen Freunde des Rittes sind in jenen Gefilden von funktioneller, wenn auch noch so abwegiger Wichtigkeit. In kurzweiligen Episoden jener etablierten Sozialität zwischen Mensch und Vieh erleben wir, wie die kauzigen Einwohner in zweierlei Arten untereinander umgehen, vom Dasein beim adligen Schimmelhalter bis zum besoffenen Pferdedieb. Keiner kann dabei wirklich von sich behaupten, das Getier zu verstehen, doch andersrum zieht das Verständnis ebenso eine verwunderte Schnute. Gleich zu Anfang merkt man nämlich, wie hilf- und ratlos der Mensch den animalischen Trieb über sich ergehen und dabei in seiner Ehre demütigen muss, obwohl die Spezies Homo sapiens im Folgenden einen weit kopfloseren Drang beweist.
Whiplash
Kinostart: 19. Februar. Regie: Damien Chazelle.
Manche Filme explodieren langsam, Damien Chazelles „Whiplash“ explodiert unentwegt. Es trommelt in ihm, es trommelt mit ihm, es pocht in einem Takt des unbedingten Willens, es birst immer und immer wieder bis zur Selbstaufgabe, die niemals folgt. Und so wie „Whiplash“ auch den Peitschenhieb bezeichnet, feuert er selbst diesen über die kompakte Laufzeit von 105 Minuten ab. Mehrmals. Bis das Fleisch aufreißt und die Trommel platzt. Damien Chazelle schafft noch Kino, bei welchem man sich unwirklich vor der Leinwand duckt, bei dem es einen auffrisst und eine tobsüchtige Welle überkommt: eine kleine Sensation eben. Die Dialoge perlen noch nicht ab, sie treffen ins Mark. Dieser Film ist eine Ohrfeige für all die alten, müden Männer, die sich in ihren früheren Auswürfen suhlen, aber besser wiederholen, was gut war, doch nicht mehr gut ist. Mehr Mut zur Energie bitte!
Bande de Filles
Kinostart: 26. Februar. Regie: Céline Sciamma.
Natürlich meint „Bande de filles“ auch die Klischees, eben um die überall konventionalisierte Struktur des Jugendlebens und Erwachsenwerdens aus dem Coming-of-Age in ein doch analysierendes Abziehbild dieser hier agierenden Mädchen zu formen. Es ist neu, obwohl es überlang, akkurat, flussaufwärts, gewaltig, laut, fragend ist. Ganz wie diese vier Mädchen und besonders das in ihrer neuen Mitte. Marieme taufen sie kurzerhand Vic – für Victory, den Sieg oder Triumph über das alte Leben. Für das Geld, welches sie Kindern vor ihrer alten Schule abziehen, kaufen sie einmal eine Nacht in einem Hotelzimmer, schalten den Fernseher an, fahren den Ton hoch und schlüpfen in die gestohlenen Kleider aus einem Einkaufszentrum, an denen noch die Sicherheitsmagneten baumeln. In der Retrospektive bestimmt Céline Sciamma in dieser Szene, die so prägend für ihren gesamten Film ist, was es mit der Findung von sich selbst auf sich hat. Bei Céline Sciamma wirkt Authentizität ganz einfach, weil sie wahr ist. Wenn auch nicht perfekt.
Weitere Starts im Februar
Ebenso in den hiesigen Lichtspielhäusern laufen an: „Blackhat“, „The Interview“ und „Jupiter Ascending“ am 5. Februar; „Fifty Shades of Grey“, „Manolo und das Buch des Lebens“ und „Wild Card“ am 12. Februar; „Die Frau in Schwarz 2 – Engel des Todes“, „Into the Woods“ und „Selma“ am 19. Februar sowie „American Sniper“ und „Heute bin ich Samba“ am 26. Februar.
Für alle, die sich ihre Hintern lieber oder vorrangig auf der heimischen Couch platt drücken, gibt es: „Gone Girl“, „Hüter der Erinnerung – The Giver“ und „Wrong Cops“ ab 5. Februar, „Dracula Untold“ und „Welcome to New York“ ab 12. Februar, „Borgman“ und „Night Moves“ ab 17., „Annabelle“ und „The Equalizer“ ab 19., „Die geliebten Schwestern“, „Jimmy’s Hall“, „20.000 Days on Earth“ und „Wie in alten Zeiten“ ab 20. Februar, „The Salvation“, „Der Richter – Recht oder Ehre“ und „Maze Runner“ ab 26. sowie „A Most Wanted Man“ und „Dying of the Light“ ab 27. Februar.
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