„Was ist Filmemachen anderes, als im Dunkeln zu fummeln?“, fragte der amerikanische Regisseur Alexander Payne einmal. Und haderte nicht, Helen Schmidt, Ehefrau des kürzlich pensionierten Warren Schmidt, beim Staubsaugen abdanken zu lassen. Helen also liegt bereits hernieder, während Warren in „About Schmidt“ bei der Post einen Brief an ein tansanisches Waisenkind aufgibt; Seite um Seite beichtet er seine Strapazen, seinen Hass, seine Wut – auf das Leben, seine Arbeit, seine Tochter, seine eigene Unsäglichkeit. Eben jene Wut zieht sich wie ein zäher Strick durch Paynes Œuvre, das mit „The Passion of Martin“ einen biestigen, rudimentären Anfang nahm, der einige Jahre später die Komödie zum Bersten brachte. Aus ihren Überresten wuchs ein Hybrid, der uns hie und da wagte, zu verschaukeln. Wie in „Sideways“, einer empfindlichen Midlife-Crisis und Amour fou, die über Wein plauderte, als wohne in ihm eine ziemlich volle Seele. Die noch dazu ziemlich betrunken ist.
Die Hälfte meines Lebens ist vorüber und ich hab nichts vorzuweisen. Ich bin ein Fingerabdruck auf dem Fenster eines Bürogebäudes. Ich bin ein Stück Mist, ein Kotfleck auf einem Taschentuch.
Dabei tilgt Payne die scheinbar wertlosen Existenzen seiner Protagonisten, dass sie jederzeit wertvoll scheinen, weil sie in der gleichen aussichtslosen Welt leben wie wir. Alle Filme des Mannes aus Omaha, Nebraska, sind kleine, dicke Finger, die sich auf unsere Wunden legen und erst kräftig zudrücken, bevor sie ihren Griff lösen. Häufig klassifizieren sie die Tristesse als schwarz-weiße Isolation, selbst wenn sie täglich Farbe erblicken. Am Ende sehnen sie sich nach einem Umschwung, der zwar angekündigt, aber ungern ausgeführt wird. Das einzige Trugbild ist ihre Erkenntnis, dass sich ihr Leben ändert. Einfach so. Und Alexander Payne lässt sie glauben, dass sie recht haben. Das Filmfest München widmete ihm heuer eine Retrospektive, die seine Kurzfilme „Carmen“, „My Secret Moments“ und „The Houseguest“ ebenso zeigte wie alle Spielfilme aus den Jahren 1991 bis 2013.
Überblick
About Schmidt
Alexander Payne, USA (2002)
Abschied von morgen: Bei Alexander Payne geht es auf Leben und Tod. Dazwischen aber findet sich das Alter – und die Wut.
Citizen Ruth
Alexander Payne, USA (1996)
Eine Tretmine in Amerikas hübschen Vorgarten: Bei Alexander Paynes Karneval der Bekloppten ist selbst Abtreibung einen Lacher wert.
Election
Alexander Payne, USA (1999)
Brot für den Wahlsegen! Schüler gegen Lehrer, Tampon gegen Kondom. Alexander Payne ramponiert die Institution Highschool.
Nebraska
Alexander Payne, USA (2013)
Die Utopie des amerikanischen Straßenrands: Eine melancholische Studie in Schwarz-Weiß. Alexander Payne erforscht das Altern in Amerika.
Sideways
Alexander Payne, USA (2004)
Fragen Sie Ihren Arzt – oder Alexander Payne: Paul Giamatti und Thomas Haden Church saufen Wein und spielen Golf, es geht ihnen schlecht und besser.
The Descendants
Alexander Payne, USA (2011)
Superstar mit Schwächen: George Clooney zeigt in Alexander Paynes Drama Gefühle – in Bermudashorts und Hawaiihemd.
The Passion of Martin
Alexander Payne, USA (1991)
Ab mit dir! Kein Debüt, sondern ein Abschluss des Vorspiels. Alexander Paynes miefloses, amüsantes Studentenwerk.
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