Die Beichte steht unter dem Schutz der Schweigepflicht. Doch was sollte ein Geistlicher tun, wenn der Beichtende ihm gesteht, ihn in einer Woche repräsentativ für die Kirche zu töten? Parallel zu Jesus, dem Gekreuzigten, der sich für alle Christen opferte und auf ewig deren Sünden erlöste, soll Father James (Brendan Gleeson) für die Misshandlungen an Kindern durch Gottesvertreter geradestehen. Er ist ein nachdenklicher Typ, der seinen Glauben nach dem Tod seiner Frau intensivierte, indem er sich der Kirche einer irischen Gemeinde namens Rush anschloss. Neben seiner grundsätzlichen Ruhe strahlt der korpulente Pfarrer eine unfehlerhafte Güte aus, eine pietätvolle Barmherzigkeit, deren Anfeindung unbegreiflich scheint. Der Beichtende erzählt ihm von fünf blutigen Jahren der Gefangenschaft, jeden Tag sei er als Kind misshandelt worden. Klar ist, dass Father James nicht der Verbrecher war, der später die göttliche Vergebung suchte.

Die Gemeinde ist klein, größer die relative Unzufriedenheit. Koksende Menschen, die ein nihilistisches Dasein fristen, ein zugezogener Fitzgerald, der sich mit Crystal Meth befriedigt, ein kritischer Polizist, ein Automechaniker aus der Elfenbeinküste, ein suizidgefährdeter Adoleszent und weitere Charaktere bilden das Konstrukt in John Michael McDonaghs zweitem Film. Die Grundidee, die neben der angesprochenen Missbrauchsthematik auch noch die schwindende Position beziehungsweise Bedeutung der Geistlichen in der heutigen Zeit behandelt, ist interessant und bietet ein hohes Potenzial. Leider ist die Umsetzung weniger gelungen, „Am Sonntag bist du tot“ hält sich nur durch einige Luftschnapper über Wasser und ist letztendlich unzufriedenstellend. Das liegt vor allem am kaum vorhandenen Erzählfluss und am Scheitern, die Spannung des Anfangs aufrecht zu erhalten und die guten Momente in ein Ganzes einzugliedern. Erheiternd sind nämlich gerade die von McDonagh erwarteten Szenen, die durch rabenschwarze Dialoge glänzen. Sein komödiantisch angelegter Beginn verliert sich in einer bezuglosen Tragödie, die den Sprung zum angestrebten Tiefsinn und zur Dramatik nicht vollenden kann und somit lose und belanglos in der Luft hängt.

Brendan Gleeson, der in „Brügge sehen … und sterben?“ von McDonaghs’ Bruder Martin eine lupenreine Performance ablieferte, hat trotz vieler Einzelszenen keine wirkliche Möglichkeit, sein Können unter Beweis zu stellen. Daher reiht er sich mit den anderen Figuren ein, die nur angehaucht wirken und vergessenswert bleiben. Der musikalische Beitrag von Patrick Cassidy ist hingegen gut, auch optisch kann „Am Sonntag bist du tot“ überzeugen, da die irischen Strände in sehenswerten Kameraflügen porträtiert werden.

Meinungen

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