Die Prämisse von Jalmari Helanders „Big Game“ verrät einem schon beachtlich selbsterklärend alles darüber, wie der entsprechende Film aussehen und wie man als potenzieller Zuschauer dazu stehen wird: Die Air Force One wird aufgrund eines Komplotts von Verrätern und Großwildjägern über den finnischen Bergen abgeschossen, wobei lediglich US-Präsident William Moore (Samuel L. Jackson) per Rettungskapsel überlebt, fortan allerdings als größte Trophäe der Welt von Bösewichten wie Agent Morris (Ray Stevenson) und dem dubiosen Hazar (Mehmet Kurtuluş) gejagt wird. Die einzige Chance, die Moore noch hat, ist Oskari (Onni Tommila), ein junger Bursche auf dem Pfad zur Männlichkeit, der angesichts seines dreizehnten Geburtstages von den Ältesten seines Dorfes auf die einsame Hirschjagd geschickt wird, um die Tradition seiner Jäger-Vorfahren weiterzuführen. Die Begegnung zwischen Präsident und Jägersohn – die beide noch Schwierigkeiten damit haben, ihrer Bestimmung gerecht zu werden – birgt sodann den Buddy-Kern des Films, der sich mit dem gemeinsamen Bezwingen der Wildnis und der bleihaltigen Gefahr aufbaut.

Abgesehen von kleinen regionalen Noten befähigt sich Regisseur Helander nämlich einer souveränen, doch vollends vorhersehbaren Gestaltung auf der High-Concept-Basis alter Schule. Sein Film referenziert durchweg Genrekino-Schemata der achtziger und neunziger Jahre – dazu zählen Rollenmodelle klassischen Action-Kintopps, höchst offensichtliche Etablierungs-Dialoge und coole One-Liner, obligatorische Lagebesprechungen von Militär und Regierungsvertretern im Pentagon-Kontrollzentrum sowie standardisierte Inszenierungsformeln in Bild und Ton inklusive Instant-Pathos. Man kann es dem Werk schon zugute halten, dass es dadurch unaufgeregte Geradlinigkeiten der Genre erfahrenen Kohärenz erschafft, aber eben auch Action- und Abenteuer-Szenarien fern jeder Prätentiösität in anständig pointierter Dramaturgie anordnet. Ein bisschen Spielberg-Hommage darf gelegentlich auch nicht fehlen, so wie das Aufeinandertreffen der außerirdisch erscheinenden Rettungskapsel mit dem weniger Technik vertrauten Oskari im dunklen Walde veranstaltet wird. Später legt Letzterer dem Präsidenten sogar eine mannsgroße Decke um den Kopf, sobald er diesen im selbst gemachten Jeep herumfährt – ikonenhafte „E.T.“-Bilderwelten lassen belanglos, aber heiter grüßen.

Das ist gleichzeitig aber auch die größte Schwäche des Films, wie manierlich er sich an den Vorbildern der Vergangenheit misst und lediglich kurzweiliges Filmfutter aus seinem potenziell abgefahrenen Konzept schöpft. „Big Game“ ist größtenteils nur normal und so genügsam in der eigenen Komfortzone verortet, dass jede Charakter- und Handlungsentwicklung schon dadurch stimmig wird, dass alles aufgrund der einladenden und schnell erklärten Prämisse eben wirklich ganz schlicht gehalten werden kann (und wird). Für manche ist das vielleicht erfrischend einfach, aber darin komischerweise ab und an wieder nicht ehrlich genug. Wenn das Maximum an Überspitzung nämlich aus dem Computer kommt und offensichtlich in ein bescheidenes Budget eingespannt ist, hält einen nur hohle Energie bei der Stange – wie ein zweckmäßiger Kaugummi, dessen oberflächlicher Geschmack leicht zu entschlüsseln und schnell ab zu kauen ist. Die Erfahrung dessen bereut man dennoch nicht, dringt der Film doch gegen Ende hin noch in die anarchische Freimütigkeit des Schwachsinns vor, die er durchweg verspricht, aber respektvoll zurückhält. Viele Erwartungen erfüllen sich dabei für eine Erzählung, deren Charaktere und den Zuschauer in einem vergnügten Selbstverständnis aufrechter Trivialunterhaltung. Ein solides Finish, wie auch „Big Game“ an sich ein souveränes Händchen für harmlose Retro-Gelüste beweist.

Meinungen

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