Nichts ist schlimmer als biederer Standard im Film. In diesem Fall der Belanglosig- und Gleichgültigkeit stolpert David Dobkins („Shanghai Knights“) erneutes Ausnahmewerk „Der Richter – Recht oder Ehre“ mit ebenso austauschbarem Ansporn hinein. Robert Downey Jr. darf als Protagonist Hank Palmer hier das wie immer sympathische Arschloch geben, welches sich geschickt und überheblich aus jeder Situation wieselt und ein abgebrühter, doch innerlich problembehafteter Meister seines Faches ist. Ikone Robert Duvall bekommt derweil genügend Gründe, den alternden stolzen Patriarchen der Enttäuschung und fachlichen Gegenpol Joseph Palmer aufzubieten. Zusammen ergeben sich hitzige Streitgespräche zwischen Filmvater und -sohn, die das Tempo halbwegs effektiv am Laufen halten, aber nicht gänzlich gegen den Mischmasch aus plakativem Gerichts- und sentimentalem Familiendrama bestehen können. Dieses ist nämlich so bleiern in seinem überlangem Prozedere melodramatischer Einfältigkeiten, dass für eigenwillige Charakterisierungen kein Platz ist – nur für funktionale Oberflächen, passend zum malerischen Kleinstadt-Americana. Da ist man auch leicht schockiert, Janusz Kaminski im Abspann zu identifizieren und sich gleichzeitig an die ewig gleichen Schwenks in der Abarbeitung des Gerichtssaals zu erinnern.

Zudem begibt sich Regisseur Dobkin immer auf holprige Pfade, sobald er versucht, seinen bewiesenermaßen wenig gelungenen Sinn für Humor einzubinden, welcher insbesondere dann problematisch wird, wenn nach einem Running Gag ausgeschiedener Körperflüssigkeiten dieselbe Komponente aus einem anderen Loch als tragische Nebenwirkung von Krebs genutzt werden will. Dahin gehend kann die reine Dialogebene eher punkten und vor allem Downey Jr. einige Pointen der Selbstgefälligkeit rausleiern, wohingegen in ernsthafteren Situationen eine eher forcierte Schreibweise heraussticht. So wie sich die Situation der Geschichte allmählich zuspitzt, ist es schon eine prätentiöse Vorstellung von Storytelling, genauso wie die pathetischen Schlussbilder auf die Hallen der Justiz im Angesicht der Läuterung und Vergebung. Es fällt in solchen Momenten schwer, dem Film jedwede Glaubwürdigkeit abzunehmen. Wenn dann aber die triste Souveränität den Boden unter den Füßen verliert und ein bisschen wahre Menschlichkeit durchscheinen lässt, kann man sich wenigstens abseits des konventionellen Schmalzes und dem märchenartigen Domino-Effekt von Erzählung und Charakterentwicklung irgendwo festhalten. Die Strafe lautet: lebenslang verpassenswert, aber der Harmlosigkeit halber nicht völlig entsorgbar.

Meinungen

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