Kenji Misumis „Der weiße Pfad der Hölle“ bildet den fünften Teil der sechsteiligen Serie „Lone Wolf & Cub“, welche auf dem gleichnamigen Manga von Kazuo Koike basiert. Im Rahmen der deutschsprachigen Erstveröffentlichung auf High Definition durch Rapid Eye Movies widmen wir dieser Reihe eine Retrospektive.

Itto Ogami (Tomisaburô Wakayama) hält sich zusammen mit seinem Sohn Daigoro seit geraumer Zeit in einer Ebene der Gesetzlosigkeit auf, die sie allgemein als Der weiße Pfad der Hölle“ bezeichnen. Seelisch unantastbar zwischen Feuer und Wasser, dem Guten und dem Bösen wandelnd, ist für sie die Endlichkeit der Dinge eine klare Linie ohne Wiederkehr, ein endloses Fegefeuer des Lebens im Japan des 17. Jahrhunderts. Kenji Misumi, nach Takeichi Saitôs „Die tätowierte Killerin“ erneut im Regiestuhl gelandet, verfolgt jenes Grundthema hier zu einer gnadenlosen Konsequenz, die im Zynismus des Daseins jedoch womöglich die einzig verbliebene, ehrliche Form der Gerechtigkeit ausübt. Die Vertreter des Gesetzes wollen da in der Bekämpfung einfacher Taschendiebe mit effektiven Methoden aufwarten, lösen dafür aber als Obrigkeit das Vertrauen zur Bevölkerung ein, wie auch Fürsten und Klans Intrigen spinnen, eigentliche Nachfolger der Macht ersetzen und verstecken. Drum ist hier hauptsächlich nur noch die Funktion des Versprechens als Wille des Menschlichen tätig und wirklich wirksam. Einige Beispiele: Fünf Krieger des Kuroda-Klans geben Ogami ihr Wort, ihm nacheinander Geld und Informationen für seinen nächsten Auftrag zu geben, wenn sie durch seine Hand erlegt werden.

Daigoro lässt sich in der Öffentlichkeit von der Polizei regungslos auspeitschen, da er einer flüchtenden Taschendiebin versprochen hat, niemandem was zu erzählen. Diese hält ihre Schuld nicht aus und stellt sich; schwört, nie wieder zu stehlen. Ogami verspricht, das ihm vertraute Geheimdokument erst dem Fürsten auszuhändigen, nicht seinen treuen Maskenkriegern. Diese verteidigen ihren Gebieter vor seiner gerechten Strafe, jedoch eben aus Pflicht, weshalb sie von Ogami im Sterben die Gewissheit verlangen, dass er die Werte der Kurodas mit seinem Schwert aufrechterhält – auch wenn er dafür eine Familie auslöschen muss. Doch der Tod ist in solchen Zeiten eine Gewissheit, wird von Ogami und seinem (noch immer kindlichen, doch abgehärteten) Sohn stets erwartet und genauso unaufgeregt von Misumi in der Inszenierung aufgelöst. Leben und Leiden finden bei ihm eine fließende, wortlose Harmonie. Oft gleiten in diesem Film Körper bewusst unter Wasser ab, um in dessen Stille auszubluten. An Land sprießt jenes Blut dann auch ungeniert wie aus Geysiren – selbst der Tod besitzt ein Eigenleben. Dieses Einverständnis halten natürlich nicht alle Charaktere in diesem Film, gütige wie auch böswillige streben nach Idealen einer meist vergänglichen Macht. Sie sind Feuer und Wasser. Das gehört natürlich auch zur Natur des Menschen und geht nicht ohne – die Balance dazwischen muss auch nicht wirklich schön sein und ist ja hier nicht umsonst in der Hölle vertreten. Bloß die wenigsten vertragen die Hitze mit entsprechender Würde.

Meinungen

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