Der von einer Alkoholverfehlung offensichtlich rehabilitierte Familienvater Thomas (Devid Striesow) fährt mit seiner Familie und einer Freundin derselben zum Skiurlaub in die Alpen. Seine deutlichen Bemühungen, das große Familienglück neu zu entflammen, treffen in Micha Lewinskys bitterböser Groteske auf erhebliche Hindernisse. Alles beginnt mit einem folgenschweren Vorfall, der in den winterlichen Bergen eine Lawine aus vielen dummen Entscheidungen ins Rollen bringt und den offensichtlich sarkastischen Filmtitel schon früh Lügen straft: In „Nichts passiert“ geschieht eine ganze Menge.

Doch nichts von alledem hätte je passieren dürfen. Präzise steigert der Film die Anspannung stufenweise und arbeitet dramaturgisch traditionell auf ein eskalierendes Moment hin – konstruiert wirkt es leider trotzdem. Und das liegt auch an der Hauptfigur: Devid Striesow spielt den herzensguten Teddybär-Vater mit maximaler Unglaubwürdigkeit, sein übermäßig nachsichtiges und inkonsequentes Entscheidungsverhalten verläuft sich in irrationaler Dummheit – auch oder gerade weil es dem Charakter an Tiefe fehlt. Jene Tiefe, die die Nebenrollen ohnehin vermissen lassen, denn sie alle wirken lediglich wie Karikaturen, an denen der Held seine einzige Gutmensch-Fassade reflektiert.

„Nichts passiert“ bleibt also ein Story-Film an der Oberfläche, vertieft weder seine Figuren noch die Risse des scheinbar vorher schon angeknacksten Familienidylls. Und so symbolisiert der klaustrophobische Schauplatz lediglich eine situative (und nicht eine psychische) Ausweglosigkeit und wird auch nicht zum Ort bislang verdrängter Wahrhaftigkeit, der persönliche Narben im kollektivem Miteinander zum Vorschein bringt. Das Potenzial war zumindest da. Das alles macht aber Micha Lewinskys Werk nicht gleich zu einem schlechten Film. Die bitterböse Verkettung hässlicher Ereignisse, resultierend aus der großmütterlichen Weisheit, dass irgendwann alles Schlechte ans Licht kommt, reicht zumindest für simple und solide Abendunterhaltung. Und wenn die Spannung zu versiegen droht, taucht eben aus heiterem Himmel noch ein geheimes Tagebuch auf.

Meinungen

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Kinostart: 29.09.2016

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