Arnold Schwarzenegger hat es nicht leicht, sich in die Filmlandschaft von heute auf eigene Faust zu reintegrieren. Was dem muskulösen Hünen aus Österreich einst mit unbedarftem Charme und beeindruckender Statur gelang, schafft der nun 66-Jährige nach einer langen Schaffenspause (aufgrund seines kalifornischen Gouverneurs-Postens) nur noch mit mäßigem Erfolg. Dabei liegt es aber gar nicht mal so unbedingt an ihm selbst, hat er doch noch einige lukrative Franchises auf dem Kerbholz, bei denen moderne Action-Helden neidisch werden dürften: ein neuer Conan-Titel mit Paul Verhoeven am Ruder ist in Planung, „Terminator: Genesis“ steht kurz vor Drehbeginn und die Expendables-Clique zieht ohnehin das internationale Publikum in Massen an. Einen Mangel an populärem Potenzial hat Arnie also eigentlich nicht zu erleiden – das Problem ist nur, dass alle diese Markennamen und dazugehörigen Darsteller ihren Wert vor knapp zwanzig bis dreißig Jahren erwirtschaftet haben, also zu einer Zeit, der man schon längst entwachsen ist. Doch Schwarzenegger versucht noch immer an diese anzuknüpfen – nicht nur mit seinem bekannten Rollenfundus, sondern zudem mit neuen Projekten, die zumindest im Ansatz der alten Schule ebenbürtig sein dürften.

Bis zum heutigen Tage waren letztere Werke allerdings keineswegs von Erfolg gekrönt: Kim Jee-Woons „The Last Stand“ bot dem Mimen zwar ein würdiges Comeback mit Alterserscheinungen, blieb aber eher unbeachtet – selbiges gilt für „Escape Plan“, der trotz Teilnahme von Expendables-Co-Star Sylvester Stallone enttäuschte. Nun erreicht uns der dritte Versuch in diesem vergeblichen Unterfangen der Wiedererweckung früheren Ruhmes anhand moderner Elemente mit „Sabotage“ unter der Regie von David Ayer nach einem Drehbuch von Skip Woods („Stirb Langsam 5“) und Ayer selbst.

Interessanterweise ist der Streifen trotz Schwarzeneggers Solo-Auftrag wiederum eine reine Team-Geschichte. So führt er als John Breacher Wharton eine Task Force des Drogendezernats an, die sich hauptsächlich aus Adrenalin-süchtigem, weißen Trailer-Park-Trash zu bilden scheint und anstelle von Einfühlungsvermögen und Bescheidenheit mit Hormonüberschuss und Ballergeilheit ausgestattet ist – einer der harten, doch schnoddrigen Recken haust sogar trotz wahrscheinlich gutem Gehalt tatsächlich in einem verwahrlosten Wohnwagen und pisst des Nächtens ins Spülbecken. Man könnte durchaus den Eindruck erhalten, die Damen (sprich: Mireille Enos als Femme fatale auf Meth) und Herren wären karikierte Vertreter der arischen Bruderschaft, würde da nicht noch Terrence Howard mitmischen. Dass dieser sich überhaupt bemerkbar macht, ist dennoch eine seltene Angelegenheit – erst zur Mitte hin wird bewusst, dass der junge Herr aus den letztjährigen „Prisoners“ und „Movie 43“ hier tatsächlich eine Rolle inne hat, die aber auch erst gegen Ende völlig aus dem Nichts eine bedeutende Funktion einnimmt.

Doch das Script wirft nicht nur diesen Charakter schludrig durch den Raum, sondern gleich das gesamte Konzept hinterher. Im Grunde existiert nämlich eine zwar konventionelle, doch potenziell spannende Outline: Bei einer ausgefeilten Razzia stellt unser Team knapp zehn Millionen Dollar Drogengeld sicher, welches aber auf mysteriöse Weise verschwindet. Fortan wird gegen alle Mitglieder ermittelt, doch keiner rückt mit einem Geständnis heraus. Nach Monaten der Investigationen dürfen sie wieder an die Arbeit heran, doch Misstrauen und gegenseitige Verdächtigungen machen sich breit, als die Truppe offenbar nach und nach von einem rächenden Kartell dezimiert wird – allmählich lässt sich aber kaum noch abstreiten, dass einer von ihnen der wahre Täter sein muss.

Nun könnte man ja aus dieser Situation ein halbwegs cleveres Whodunit stricken und an zwielichtigen Gestalten wird auch nicht gespart. Das Problem ist nur: So ziemlich alle Figuren agieren trotz ihrer taktischen Fähigkeiten als zynische, herzlose Bastarde und das macht es dem Zuschauer ungemein schwer, sich für deren Schicksal zu interessieren. Man denke an den gar nicht so unähnlichen Italo-Reißer „Das Rattennest“ (1976), welcher zwar ebenso ein Ensemble an verkommenen Subjekten beherbergte, aber mit Richard Harrison noch immer einen rechtschaffenen Protagonisten entgegensetzte, der deren Handeln entschieden verabscheute. In seinem eigenen Star-Vehicle hingegen gelingt es Schwarzenegger nicht mal, dem Charakter des Breachers trotz dessen dunkler Vergangenheit – bei der seine Familie ausgelöscht wurde – ein distanziertes Gewicht zu verleihen (ohnehin spielen ihn seine Co-Stars trotz aller Überzeichnung restlos gegen die Wand).

Er ist nämlich bis zum bitteren Ende ebenso engagiert beim schnörkellosen, Sprüche-klopfenden Abknallen und darauf folgenden Stripbar-Besuch inkl. Komasaufen seiner Kollegen mit dabei – im Grunde gehören diese Figuren und die Macher des Films in ihrem Wesen ja auch zum Erbe seiner Kunst, weshalb er sich bei ihnen dementsprechend als geehrtes und (fürs Comeback) äußerst williges Oberhaupt fühlt. Wahre Konflikte bleiben demzufolge nur angedeutet und verlaufen schließlich im Sand, je mehr Kollegen sowieso ohne Weiteres draufgehen. Bis dahin erfreut sich das Team bei mehreren Einsätzen am für sie sicherlich spaßigen, tödlichen Law enforcement, objektiv äußert sich dieses aber schlicht als siffige Selbstgefälligkeit, die zudem stets ein aufdringliches Mindestmaß an Pflichterfüllung, Macho-Treue und Schwanzvergleich erfordert (auch wenn sich alle hinterrücks stets gegenseitig betrügen).

Wer vielleicht mal die Grundausbildung beim Bund genoss, kennt dieses Gefühl, wenn man gezwungen wird, frühmorgens aufzustehen und mit Kameraden, sowie Vorgesetzten, die man nicht ausstehen kann, zweckfreie Schießübungen in der Pampa abzuhalten. Genauso bocklos erlebt man die Zeit mit der hier wirkenden Redneck-Elite-Einheit und ihrem nervigen Toilettenhumor. An ihr versucht der Film zudem keinen Vorwurf, stellt er das Handeln dieser doch (anders als beispielsweise jüngst Martin Scorsese in seiner überzeichneten Satire „The Wolf of Wall Street“) als vermeintlich authentisch dar und verlässt sich dabei neben ungeschönten Schauplätzen und einem kollegial-pubertären Umgangston voller Fucks auf dokumentarische Kameraspielereien, die unter anderem ohne praktischen Sinn eine GoPro, mit dem Blick zum Schützen gewandt, aufs Korn einer Pistole setzen, um mittendrin, statt nur dabei zu sein. Wenn aus diesen Umständen heraus allerdings (zuhauf) Gewalt entsteht, fokussiert sich das Bild, den „Gesichtern des Todes“ nicht unähnlich, allzu sensationalistisch auf teils mäßig getrickste, dennoch brachiale Blutspritzer und verharrt insbesondere auf verranzte Leichenteile – nicht nur bei Tätern, sondern zum Finale hin auch auf unschuldige Opfer. Ein außerordentlich viehischer Selbstzweck, welcher – sichtlich als provokanter Unterhaltungswert ausgearbeitet und mit einem durchgehend austauschbaren, pochenden Soundtrack unterlegt – über die fehlende Substanz hinwegzuschmieren versucht.

Jedoch wird man allgegenwärtig mit einem konfusen Handlungskonstrukt konfrontiert, das sich selbst scheinbar gleichgültig ist, dabei alle paar Meter Plot- und Logiklöcher entstehen lässt (man bemerke den umständlichen Umgang mit der gestohlenen Kohle) und keine rechte Spannungskurve oder sonstige dramaturgische Höhepunkte aufzubringen versucht. Stattdessen artet alles anhand der fundamental-abstoßenden Mannschaft in einen ziellosen Brei aus hektischer Action und hingerotzter Intrigen aus, der zudem sein Mysterium eher beiläufig aufdeckt (beachtlich, da die Ermittler Olivia Williams und Harold Perrineau sich doch hauptsächlich verschmitzte Flüche an den Kopf werfen) und im Story-technischen Desinteresse die Stimmungen wahllos durcheinander würfelt: Wird ein langjähriger Kollege mit herausgerissenen Gedärmen an die Decke genagelt aufgefunden, folgt daraufhin eine wilde Trauerfeier mit Bier, Swimmingpool und Strippern; sichtet Breacher im trübseligen Selbsthass brodelnd zum x-ten Mal das gnadenlos-detaillierte Snuff-Video vom Mord an seiner Frau, steckt er sich bereits bei der nächsten Razzia fröhlich-grinsend eine Zigarre an.

Paart man solche widersprüchlichen Eindrücke dann noch mit dem Mangel an wahrlich bedrohlichen oder zumindest fühlbaren Antagonisten, fragt man sich bei 109 Minuten Laufzeit recht schnell, worauf das alles hinauslaufen soll. So verwundert es auch kaum, wie gehetzt und gestelzt sich die Geschichte dann letztendlich auflöst, zusätzlich à la Godfrey Ho einen viel zu langen Epilog anhängt, um die bis dahin immer nur unbeholfen angerissene Rache-Motivation Breachers zur Vollendung zu bringen – was im Grunde ein ganzer Film für sich hätte sein müssen. Denn dort erleben wir ihn erstmals wirklich solo, stilisiert als einsamen, faltig-ruppigen Rächer mit Cowboyhut in Mexiko, der zur Genugtuung mit geradlinigem Schritt seine Feinde niedermetzelt. Eigentlich beste filmische Voraussetzungen für ein letztes Comeback, für eine pathetische Erinnerung an die alten Werte und Reize des Genres, wie einst für John Wayne bei Don Siegels „The Shootist“ (1976). Hier bleibt dieser Wunschtraum Schwarzeneggers nach alter Schule in neuem Gewand allerdings nur ein Nachtrag für einen spekulativ-zusammengeschusterten Saustall, der als uninspirierte und hämische Gewaltschau nur wenige Freunde finden wird. Vielleicht sollte er doch langsam den Rat seines Breachers befolgen: Let it go!

Meinungen

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Bisherige Meinungen

6. April 2014
18:57 Uhr

Ist die rote Plakette denn wenigstens gerecht vergeben wurden, oder hatte die FSK einfach nur einen schlechten Tag? Zumal die 18er Freigabe von The Last Stand auch sehr fragwürdig ist.

6. April 2014
19:46 Uhr

@Sean: Ja – die 18er Freigabe wurde zurecht vergeben. Wie in meiner Kritik eigentlich zuhauf erwähnt, lebt der Film von seiner selbstzweckhaften, viehischen Gewalt an allen Ecken und Enden.

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