Welche Wunschträume ein idealer Partner nicht alle zu erfüllen hat! In „The Perfect Guy“ bedeutet dies für unsere anspruchsvolle Protagonistin Leah (Sanaa Lathan), direkt aus der Liga der Besserverdienenden, einen Mann an ihrer Seite zu haben, der sich mit ihren Eltern versteht, christliche Werte aufrechterhält und der Fortpflanzung willens ist. Die Karrierefrau von heute weiß eben, wie dringlich das perfekte Glück ist und dass Charakterzeichnung weniger nötig ist als das Verharren auf Leitbildern der Steinzeit. Und siehe da: Prince Charming, der Meister aller Erwartungen, begegnet ihr im zuvorkommenden Businessman Carter (Michael Ealy). Allerdings, man kann es sich denken, hat diese Perfektion einen unheilvollen Makel. Im Grunde muss man es sich natürlich nicht mehr denken – man sitzt ja in David M. Rosenthals Film, weil die oft variierte Standardprämisse bekannt ist. Im Idealfall wünscht sich der Zuschauer also weniger den Thrill des Konsens als den Spaß vom Kaliber „The Boy Next Door“. So wiederholt sich auch hier die Mahnung an ein weibliches Publikum, sich nicht auf die Aussichten eines Liebhabers einzulassen, der glatt und stilsicher agiert, aber unter Garantie ein mörderisches Geheimnis mit Tendenz zum Stalken bewahrt.

Rosenthal legt es in diesem Fall aber besonders plump darauf an, keine Zeit zu verschwenden, um an allen Ecken mit Vorzeichen zu prahlen, die durch eine permanente Retortenmusik Emotionen vorgeben und mittels einer fernsehgerechten Dramaturgie jede Spannung eliminieren. Besonders ausschlaggebend ist ein holpriger Schnitt, der in seiner extremen Beschränkung aufs Wesentliche unfähig ist, Szenen und Charaktere organisch einzuführen oder aufzulösen, da er diese auf ihre bloße Funktion reduziert. Paart man dies mit einem zahmen PG-13-Rating, das sich einem Psychoterror mit tödlichem Ausgang und sexy Erkundungen von Dusche und Seidenkissen annehmen will, kommt ein lachhafter Vertreter des Genres zustande, der einem mit spekulativer Methodik eintrichtert, wie psychotisch sein Bösewicht doch ist. „The Perfect Guy“ ist zudem einer dieser unwissenden Eumel, der seine Schockmomente so offensichtlich telegrafiert, dass Fremdscham und Langeweile letztendlich die einzigen Reaktionen bleiben. Die Klischeekanonade reißt erst recht nicht ab, wenn Katzen laut aus den Büschen springen oder der Mörder von der Haustür ablässt, um urplötzlich hinter einem zu stehen.

Unglaublich, dass sich ein Film des Jahres 2015 noch solcher Mittel bedient, um Spannung für ein anspruchsloses Publikum zu erschaffen. Immerhin ist die semi-emanzipierte Identifikationsfigur Leah schlau genug, Carter nach den ersten Anzeichen von Gewalt aus ihrem Leben zu blockieren und im zufällig passenden Zeitpunkt Ex-Freund Dave wieder als Mann ihres Lebens zu akzeptieren. Da Carter jedoch nicht locker lässt, läuft die Handlung zwangsläufig auf eine Repetition von Versatzstücken etlicher Vorbilder wie „Eine verhängnisvolle Affäre“ und „Genug“ hinaus, die man sich in ihrer Langatmigkeit sparen, bemitleiden oder im Idealfall auslachen kann. Als ernst gemeintes Genrefutter schafft es „The Perfect Guy“ jedenfalls nicht, neue Aspekte oder charakterliche Stärken einzuleiten, wobei Technik, Tempo und Ambition ebenso schwer zu wünschen übrig lassen. Am Ende bleibt ein bitterer Beigeschmack, als ein Detektiv Leah empfiehlt, sich Waffen zu besorgen. So haben die Urängste vor dem bösen schwarzen Mann garantiert keine Chance. Bitte meiden.

Meinungen

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