Die Arschlöcher der Gesellschaft, die Asozialen, die Dummen – oder ganz einfach die Idioten. Sie tanzen und sie rennen, sie simulieren spastische Anfälle und beleidigen Menschen. Wie die Idioten, die sie sind, ignorieren sie Konventionen, leben das, was sie wollen. Jene charakteristische Liebe zur eigenen Person, der alles egal ist, solange sie selbst das sind, was sie entschieden haben zu sein. Lars von Trier macht aus den Dummen die Klugen, aus den Klugen die Dummen. Eine umgedrehte Gesellschaft, so simpel, dass „Idioten“ nichts weiter als ein Film über Idioten ist, die aber verstanden haben, was es heißt, einzigartig, interessant zu sein. Als Dogma-Film ist „Idioten“ einfach: keine Dramatik, keine Brisanz; das einfache Leben einer Randgruppe. Und doch kommt da diese Frage auf, man fragt sich selbst, ist man einer dieser Spießer, die in den Idioten nur Idioten sehen, weil sie sich idiotisch verhalten, oder ist man doch einer dieser toleranten, verstehenden Personen, die nicht den Kopf schütteln und verhalten lächeln? Es geht dabei um das Verstehen, nicht um das Akzeptieren.

Lars von Trier macht lange bevor er sich einen Ruf als Skandalregisseur gemacht hat, einen Film, für jeden. Damit demaskiert er die Zuschauer. Denn jeder wird auf das Geschehen blicken und sich selbst da sehen, wo man sich gerne sehen möchte. Natürlich erkennt man die Aussage der Idioten und natürlich ist man selbst nicht einer von denen, die man als intolerant oder gar beleidigend sehen würde. „Idioten“ verachtet das Menschsein. Dabei ist es wichtig, eine Unterscheidung zwischen Menschen und Menschsein zu machen, denn der Mensch ist lebenswert, doch sein Verhalten, das Menschsein, macht ihn zur verachtenswerten Grimasse. Letztendlich gibt es, natürlich, keine Gewinner. Die Idioten sind genauso die Verlierer, wie die Gesellschaft, die sie verachten. Wozu diese gesamte Eskalation, wenn doch trotzdem niemand versteht, was sie machen? Dann doch lieber ein Arschloch sein, als sich selbst zum Idioten zu machen.

Meinungen

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