Es ist Gott sei Dank nicht totzukriegen, das Genre des Tanzfilms, wie es in seiner unbedarften Form einst „Breakin’“ und Konsorten erschuf. „StreetDance: New York“ ist dabei in bester Tradition ein urbanes Märchen auf dem Pfad impulsiven Realitätsverständnisses, das sich an ein, gelinde gesagt, rudimentäres Drehbuch hält, um den Spaß am Tanzen zu euphorisieren. Eine Mogelpackung ist der Film von Michael Damian aber auch: So lautet der Originaltitel „High Strung“ und verknüpft seine klassischen wie kontemporären Tanzeinlagen mit den Ambitionen von Violinisten. Wie ungeniert platt jene Elemente zusammenkommen, besitzt bereits im Intro einen Humor, der in greller Naivität einladend ausfällt, ehe sich das Handlungskonstrukt entspinnt. In erster Instanz begibt sich die angehende Balletttänzerin Ruby Adams (Keenan Kampa) ans Studium in Manhattan und muss dort erkennen, dass sie zwar Pirouetten ausführen kann, aber in Sachen Krumping den Dreh noch nicht raus hat. Mitbewohnerin Jazzy (Sonoya Mizuno) gibt ihr immer Entlastung auf den Weg, wenn es sich dabei auch um Pub-Besuche und Geschichten von sexy Kerlen mit sexy Motorrädern handelt.

Am anderen Ende des Spektrums, nahe der Armut, versucht der mit stets glatt rasiertem Schmollmund ausgestattete Brite Johnnie Blackwell (Nicholas Galitzine) sein Glück als Straßenmusikant, um einen dubiosen Anwalt abzubezahlen, damit er sich endlich seine Greencard verdienen kann. Ein Stockwerk unter ihm firmiert zudem die Dancecrew The SwitchSteps, die sich als heiße Feger zwischen Dubstep, Hip-Hop und weiteren choreografischen Spielereien energetisch ins Zeug legen. Obwohl die Produktion des Films sichtlich kein großes Budget auffährt, versucht sie trotz simpler Drehbuchsprache eine geballte Ladung Unterhaltung innerhalb dieser Parteien zu montieren, die schließlich zueinanderfinden, um ihre Probleme und Engpässe in einem String-&-Dance-Wettbewerb zu lösen, der ausgerechnet Geld, Stipendien und Studentenvisa für unsere Protagonisten bereithält. Johnnie will da zunächst nicht mitmachen, seinen Prinzipien gegen Elitarismus und Konformität in höheren Kreisen treu bleiben – doch seine Liebe zu Ruby fängt ihn irgendwann doch auf. Überhaupt passiert alles im Film ganz selbstverständlich, obgleich sich die Situationen stets an Wahnwitz übertreffen.

Weibliche Emotionen verschießen schon Tränen, wenn eine flüchtige Bekanntschaft eine Chance auf ein besseres Leben ausschlägt, gleichsam unvermittelt kommen in der U-Bahn-Station wilde Dance Battles zustande, die mit dem Knalleffekt von „Tokyo Tribe“ mithalten können. Tanzsequenzen sowie wortwörtliche Duelle werden ohnehin das Highlight individualistischer Katharsis, ob nun beim Benefizbankett zum Tango gegen den schnöseligen Nebenbuhler oder bei den Ballettübungen unter Altmeister Kramrovsky. Dass Letzterer seine Passion zum Tanzen nie aufgegeben hat, obwohl ihm beide Hüften im KZ gebrochen wurden, wird als Bemerkung so beiläufig in den Raum geworfen, dass es in diesem ansonsten harmlosen Genre-Vertreter nur als irrer Fremdkörper hervorstechen kann. Gut so, schließlich verlässt sich der Film im Verlauf auch nicht darauf, den Zwang des Realismus zur dramaturgischen Vermittlung vorherrschen zu lassen. Eher verstärkt er seine Klischees und Topoi zu Spaßgaranten, um die inneren Überraschungen eines Jedermann zu akzentuieren.

Dennoch erscheinen einige dramaturgische Spannungen, wie die Gründe für Jazzys mangelnde Disziplin oder Johnnies erhoffter Sprung aus der Angst vor der Deportation, zu kurz gefasst und oberflächlich, um sich den großen Preis verdient zu machen. Im Gegenzug versucht er dies mit motivierenden Phrasen, Liebesbekundungen und Entschlossenheiten der Hoffnung aufzuholen, während die Ticking Clock zum dritten Akt wirklich märchenhaft aus den Angeln gehoben wird. So oder so findet die finale Performance eine aufrichtige Empathie des gemeinsamen Glücks, die sich von der Choreografie des stürmischen Aufstiegs bis zum Dank von Gruppendynamik und Traumerfüllung erstreckt. Jener kraftvolle Schlussakkord kommt gefühlvoller an, als es die vorangegangenen neunzig Minuten anhand ihres eher praktisch denkenden Prozederes vorausgeplant hatten. Der Versuch und das Schaffen einer tollen Filmerfahrung korrespondieren hier aber allzu bereichernd mit den narrativen Ambitionen von Talent und Sehnsucht, wie es nicht aufrichtiger in losgelöster Tanz- und Musiklaune geschehen kann.

Meinungen

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