Es hilft ungemein, etwas vorbelastet in diese Neuverfilmung der „Turtles“-Comics von Jonathan Liebesman reinzugehen: Denn einerseits ist sie nun mal hauptsächlich für die Gruppe von Zuschauern gedacht, welche die grünen Mutanten-Schildkröten schon seit Jahrzehnten in mehreren Formen medialer Unterhaltung erlebt haben und erleben, andererseits ist die charakterliche und Story-technische Etablierung des Films so gehetzt, dass man besser mit den äußeren Faktoren und einer gewissen, nostalgischen Verklärung vertraut sein sollte. Denn der von Michael Bay produzierte (und doch nicht ganz so chaotische) Franchise-Spaß kann seine Belanglosigkeit nicht verdecken, ein funktionell-effektives Produkt auf die Beine zu stellen, in dem man das Ruder der Unterhaltung schlicht größtenteils mit poppiger Action zu drehen gedenkt. Da ist die tatsächliche Vermittlung einer Filmerfahrung abseits vom kurzweiligen Achterbahn-Feeling wirklich nur noch minimal von Vorteil.

Abgesehen davon macht diese Beschränkung auf das Wesentliche, auf die Energie-fördernde Effekt- und Kampfausschlachtung der noch immer sehr naiven Prämisse, Sinn. Zwar wird mit den stilistischen Selbstverständlichkeiten des düsteren Superhelden-Genres kokettiert, doch im Gegensatz zu dessen durchgängiger Ernsthaftigkeit sind die Protagonisten hierin artistisch vergnügte Zeitgenossen mit knackigen Sprüchen, wobei Michelangelo (Noel Fisher) als kindlich-unbedarfter Tollpatsch die meiste Sympathie abholen kann. Man muss aber auch zugeben, dass die Turtles inzwischen keinen allzu drolligen Anblick mehr innehaben, sondern als muskulöse Überwesen brutal austeilen können, während die Kugeln des Foot-Clans von ihren Panzern abprallen. Alles ist jetzt nun mal ein bisschen härter, sogar mit einem Fokus auf Blut, Vergasung und Prügel – da ist es nur stimmig, dass es auch eine Megadosis an Adrenalin braucht, um die humanoiden Reptilien aus misslichen Elektroschock-Lagen zu befreien. Pain & Gain!

Bis es darauf hinausläuft, erlebt man jedoch erstmal die journalistischen Engpässe von April O’Neil (Megan Fox) und ihrem trottelig-flirtenden Kameramann Vern Fenwick (Will Arnett) bei der Abarbeitung von trivialem Puffer, dem sie nur nachts in der geheimen Aufnahme von kriminellen Aktivitäten eine gewisse Ambition entgegensetzen kann – Jake Gyllenhalls „Nightcrawler“ lässt grüßen, nur dass sie schon längst stylische Smartphones dafür benutzt. Schnell wird der erste Einsatz unserer Helden (bei denen jeder Move wie Totschlag aussieht) in ihren Ermittlungen nachgeliefert und nach dem Schock der ersten Begegnung mit der mutierten Art offenbaren sich April Erinnerungen an ihren Vater, welcher zusammen mit dem Großindustriellen Eric Sacks (William Fichtner) eben jene Vagabunden-Kröten im Labor erschuf. Auf alten Videobändern erkennt sie ihre kleinen Freunde von einst wieder, einmal wegen der Namen und auch, weil sie dort die Farben ihrer späteren Stirnbänder zufällig schon auf dem Rücken verzeichnet haben. Warum sie da überhaupt solange braucht, um diese doch sehr speziellen und offensichtlichen Verbindungen zu sich selbst zu rekonstruieren, lässt sich nur in der Erklärungsnot des Drehbuchs festmachen.

So erfahren wir als Zuschauer natürlich auch durchwegs ganz explizit, aber auch möglichst schnell, woher jeder kommt und was er vor hat – mögen auch noch so viele allzu passende Zufälligkeiten und Logikbrüche entstehen. Wie hat der Meister/Vater der Turtles, Splinter (Danny Woodburn), Ninjitsu gelernt? Unten in der Kanalisation lag zufällig ein Buch darüber herum. Warum hat April die Tiere aus dem brennenden Labor gerettet, aber nicht diesen einen ganz wichtigen Menschen? Wer weiß. Warum wird im Nachhinein behauptet, dass derjenige in Wirklichkeit erschossen wurde? Persönliche Verbindungen. Warum erzählt Sacks seinem Meister Shredder den gemeinsam erdachten Plan noch mal auf und erzählt im Detail, was sie in den nächsten Minuten, sowieso in Aktion gezeigt, anstellen werden? Damit der (junge) Zuschauer einfach hinterherkommt. Keine wirklich ausgereifte Arbeit, dieses Drehbuch, zudem noch scheinbar geplagt von einigen Reshoots und den üblichen Einfältigkeiten/Anspielungen einer derartigen Produktion, stets gestützt von einem Brian-Tyler-Score, der „Transformers“, „The Dark Knight“ und potenziell-sibirische Chöre zur permanenten Akzentuierung der Situation kombiniert.

Doch auf jener eckigen (und irgendwo auch unterhaltsamen) Grundierung braut sich ein ungebremstes und doch pointiertes Furioso an Action-Szenarien zusammen, das einige knallige Fights zwischen Mutanten und Menschen in Roboteranzügen aufbietet, spritzige Verfolgungsjagden zwischen Berg und Tal am Rande des eskapistischen Gipfels treibt und zu guter Letzt einen Tower-Showdown über New York City entfaltet, bei dem die letzte Explosion in eine waschechte, doch tödliche Semi-Attraktion mündet (bezeichnend für den gesamten Film an sich). Und zwischen all dem gibt sich ein gewitzt-eingespieltes und handfestes Quartett per Motion-Capture-Verfahren die Ehre, das seine Fähigkeiten von früher und das Pathos brüderlichen Zusammenhalts zur heroischen Reife bringt – neuer Turtles-Van inklusive, denn das Sequel steht schon für 2016 in den Startlöchern. Dann nämlich soll es nochmal ein bisschen wilder zurande gehen, mit Außerirdischen und anderen aufgepumpten Obskuritäten des Tierreichs. Das wird sicherlich einen schön wilden Käse geben; doch diese geschmacklich bunt-sortierte Pizza des Neustarts ist ohnehin schon ungehemmter Nonsens mit leckerem Unterhaltungsfaktor.

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