Sean Penn als Mann der Action ist eine recht ungewöhnliche Erscheinung und stellt mit 54 Jahren ohnehin einen späten Kandidaten für Genrefutter dar. Regisseur Pierre Morel, Initiator der altehrwürdigen „96 Hours – Taken“-Reihe, soll zudem die stimmige Plattform für Penns Einstand liefern, doch kann das Ergebnis der Kollaboration, „The Gunman“, beide Welten nur beschwerlich vereinen. Penn, der zusätzlich als Koautor fungiert, schreibt sich nämlich mit Jim Terrier die Figur eines humanitären Übermenschen zu, dessen Vergangenheit als Söldner und Scharfschütze gegen politisch unliebsame Personen an seinem Gewissen nagt. Daher versucht er Jahre später die Wiedergutmachung, indem er Gemeinden im Kongo zu sauberen Wasserressourcen verhilft, dabei aber auch ins Kreuzfeuer finsterer Mächte gerät.

Zu Penns Selbstdarstellung gesellen sich malerische Bilder seiner Surfboard-Künste, die von Einheimischen aus dem Busch heraus beobachtet, sowie effiziente Kill-Skills, welche mit schwitzigen Altherrenmuskeln im Kampf gegen Missetäter in der afrikanischen Ortschaft bemüht werden. Ein gut meinender Macho ist eben immer noch ein Macho. Das Herzstück des Films dreht sich daher um Jims Beziehung zu Annie (Jasmine Trinca), die er nach einem heiklen Auftrag verlassen musste und seitdem mit dem ehemaligen Verbindungsmann seiner Einheit, Felix (Javier Bardem), zusammen ist. Und so wird an Felix zunächst ein Antagonist etabliert, der aber in Wirklichkeit nicht allzu lange anwesend ist. Nach dem ersten Wiedersehen steigt Annie nämlich auf Anhieb mit Jim in die Kiste, der allein durch seine mit „Fucks“ servierte Souveränität in endlosen Gesprächen über die Taten von einst jeden zur Wurst macht.

Doch Morel sucht auch die verletzliche Seite in seinem Helden – jedenfalls gegen Anfang und Ende: Weil Jim nämlich zu viel Action auf seinem Schädel abgekriegt hat, blühen ihm Schmerzen, die in entscheidenden Momenten Blut rülpsende Migräne verursachen. Meist dann, wenn er bei Widersachern und Kollegen an deren Gewissen appelliert, was sie zusammen alles verbrochen haben. Der Weltverbesserer in Penn erhält hier sein passioniertes, sprich leidendes Ventil im Drang zur Wahrheit, darf den Großteil des Films aber dennoch den abgeklärten Globetrotter geben, der mit Maschinenpistole, Blendgranate und Handtuch skrupellose Mördertrupps ausschaltet und à la Jean-Pierre Melville im schleichenden Drahtseilakt Claymores deaktivieren kann.

Eigentlich ausreichend Material für ruppige Genre-Einfältigkeiten, wenn man sich denn nicht um politischen Ernst und sentimentale Schuldbekenntnisse bemühen würde, wo Konflikte lieber in europäischen Designer-Wohnungen ausdiskutiert werden. Das klingt eloquent und sieht glatt aus, umläuft aber nur Standards und Phrasen eines handelsüblichen Thrillers, die in ihrer Abzählbarkeit spannungsfrei einkehren. Wenn der Film dann anhand explosiver Schusswechsel und Faustgefechte stückweise zum Leben erwacht, ist es schon etwas zu spät, wie auch Penn selbst den Zenit glaubwürdiger Schlagfertigkeit überschritten hat. Den Vogel schießt allerdings ein Finale in der Stierkampfarena ab, das im Parallelschnitt zum Gleichnis zwischen Jim und den dort eingepferchten Stieren ansetzt. Immerhin ist der Showdown zum Lachen – die überwiegende Romantisierung des Killers vom alten Schlage (inklusive Öko-Bewusstsein) wird dadurch aber nicht weniger austauschbar. Nett gemeint, aber ein größtenteils lahmer Eintrag ins Kino trivialer Bedürfnisse.

Meinungen

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