Die diesjährigen Oscar-Nominierungen für den besten Animationsfilm waren ein kleiner Segen: Nicht nur wurde das Stop-Motion-AbenteuerDie Boxtrolls“ für den (subjektiv gesehen) wichtigsten Filmpreis der Veranstaltung nominiert, sondern ebenso zwei handgezeichnete Produktionen – „Die Legende der Prinzessin Kaguya“ und Tomm Moores „Die Melodie des Meeres“. In Moores zweitem Spielfilm geht es um eine Familie, die nach dem Tod der Mutter in eine schwere Krise gerät. Der Vater versucht alles, um für die Erziehung seiner Kinder zu sorgen – doch sein Sohn verachtet seine kleine Schwester, da er sie für den Tod seiner Mutter verantwortlich macht. Zudem hat die kleine Saoirse trotz ihrer sechs Jahre noch kein einziges Wort gesprochen. Für die Großmutter der Beiden ist klar, dass die zwei Kinder ein anderes Umfeld brauchen. Und so beschließt sie, Saoirse und ihren Bruder Ben von der kleinen Insel, auf der sie leben, mit in die Stadt zu nehmen. Für Ben ist das ein schwerer Schlag. Noch schlimmer trifft es allerdings Saoirse: Denn sie ist ein sogenannter Selkie und braucht das Meer.

Tomm Moore ist für die Academy beileibe kein Unbekannter: Schon 2009 produzierte der Ire mit „Das Geheimnis von Kells“ einen Überraschungserfolg, der genau wie sein neuestes Werk für einen Oscar nominiert wurde und sich großer Beliebtheit erfreut. Mit „Die Melodie des Meeres“ will Moore nun die irische Kultur ähnlich stilvoll einfangen wie Hayao Miyazaki die japanische in seinen Filmen. Und es gelingt ihm ausgezeichnet. Auch wem der kulturelle Hintergrund unbekannt ist, wird an ihn mit angenehmer Leichtigkeit herangeführt – über eine Geschichte, die herzerweichend ist. Vor allem aber entwirft Moore mit Saoirse einen ebenso süßen wie spannenden Charakter, der den Film auf unnachahmliche Art und Weise trägt. Leider sind nicht alle Figuren so gut ausgearbeitet. Denn immer wieder tauchen Charaktere auf, die für ein wenig Comic Relief sorgen sollen, aber den Film schleppend und uninspiriert werden lassen. Mehr Negatives gibt es im Übrigen nicht zu berichten – „Die Melodie des Meeres“ wird schließlich nicht umsonst weltweit in den höchsten Tönen gelobt. Allein das dramatische Finale und die wunderschöne Musik machen den Film mehr als nur sehenswert.

So hart wie der Ruhestand von Hayao Miyazaki und Isao Takahata die 2D-Animation getroffen hat: Filme wie „Die Melodie des Meeres“ geben Hoffnung – und junge Filmemacher wie Tomm Moore sind ein wunderbares Zeichen dafür, dass diese Trickfilmkunst niemals aussterben wird.

Meinungen

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Bisherige Meinungen

alex
23. November 2015
14:19 Uhr

Für mich liest sich die Kritik eher wie ein 5 Sterne Wertung, warum wurden aber nur 3 1/2 gegeben? „Song of the Sea“ empfinde ich als eine der besten Animefilme aller Zeiten und toppt sogar Moores Vorgängerfilm.

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