Das Filmfest München bietet bekanntlich jedes Jahr gewisse Vorzüge gegenüber anderweitigen Festivals im deutschen Raum: Zum einen ist es meist warm (großes Plus), es läuft, was schon beim Festival de Cannes bestaunt werden konnte oder noch bestaunt werden muss (doppelt Plus), zum anderen kennt jeder jeden über die Jahre (inklusive der Vor- und Nachteile, Plusminus), was dieses Filmfest eher zu einer Liaison eben mit dem Neuen im bekannten Rahmen werden lässt. Aber natürlich heißt das Filmfest München auch für uns: von zu Hause berichten (na gut, unter uns weilt für die Tage auch ein Hamburger, aber wir lassen das jetzt so stehen). In diesem Jahr schwärmen wir gleich zu dritt aus, obwohl wir selten zusammen Film leben werden. Mit sechs Augen sieht man eben doch besser, wenn auch noch immer nicht alles. Auf dem umfassenden Programmplan finden sich daher russische Eigenbrötler, junge und alte Seelen auf dem Land, auf Kartoffelfeldern, irgendwo zwischen Vergangenheit und Zukunft, in Krisenregionen und auf Fotoabzügen. Und Kinder: Kinder en masse.
Das 32. Filmfest München findet vom 27. Juni bis 5. Juli 2014 statt.
Überblick
A Thousand Times Good Night
Erik Poppe, Norwegen (2013)
Pornografie oder Journalismus? Juliette Binoche erdet als Fotojournalistin ein ansonsten äußerst mediokres Werk.
Adieu au langage
Jean-Luc Godard, Schweiz (2014)
Das Gegenteil von Altersmilde: Jean-Luc Godard lässt die Mittel des Kinos Amok laufen – ein Abschiedsbrief an die Lesbarkeit.
Beneath the Harvest Sky
Aron Gaudet, USA (2013)
Coming of Age nochmal gleich: In einem Bauerndorf suchen zwei Teenies den amerikanischen Traum.
Casa Grande
Fellipe Barbosa, Brasilien (2014)
Der Kokon inmitten der Favelas: Fellipe Barbosas Debüt über eine reiche Familie in Brasilien glänzt mit strengem Formalismus.
Cold in July
Jim Mickle, USA (2014)
Blutgericht in Texas: Ein spannender Southern noir über den Tod im Affekt mit Michael C. Hall in der Hauptrolle.
Das Salz der Erde
Juliano Ribeiro Salgado, Brasilien (2014)
Reise ins Herz der Finsternis: Ein filmischer Bildband über einen Eroberer. Wim Wenders porträtiert Sebastião Salgado.
Das Zimmermädchen Lynn
Ingo Haeb, Deutschland (2014)
Auch ein blindes Huhn findet ein Korn: Als eine Frau unter fremden Hotelbetten Mäuschen spielt, offenbart sich ihr der Blick aufs Leben.
Die Legende der Prinzessin Kaguya
Isao Takahata, Japan (2013)
Prinzessin wider Willen: Isao Takahatas neue Œuvre-Ergänzung ist sein bester Film überhaupt.
Die süße Gier – Il Capitale Umano
Paolo Virzì, Italien (2013)
Post-Berlusconi-Blues: Als ein Mann stirbt, korrumpieren sich bei Paolo Virzì zwei italienische Familien gegenseitig.
Die Wolken von Sils Maria
Olivier Assayas, Frankreich (2014)
Seelenverwandtschaften: Ein Exkurs in das Innenleben einer alternden Schauspielerin – und das vor gewaltigem Bergpanorama.
Ein Geschenk der Götter
Oliver Haffner, Deutschland (2014)
Spielend arbeitslos: Oliver Haffner inszeniert eine wunderbare Feel-Good-Komödie.
Es ist schwer, ein Gott zu sein
Aleksey German, Russland (2013)
Harter Tobak, ganz klebrig: Aleksey Germans Nachlass schießt mit gnadenloser Anarchie und wie ein reißender Virus ins Auge.
Everything We Loved
Max Currie, Neuseeland (2014)
Aus den Augen, aus dem Sinn? Ein Kind stirbt und wird ersetzt. Max Currie fragt nach Familie und Recht.
I Origins – Im Auge des Ursprungs
Mike Cahill, USA (2014)
Auge um Auge: Spiritualität trifft auf Wissenschaft. Oder andersrum. Mike Cahills neues Emo-Sci-Fi-Drama.
It Follows
David Robert Mitchell, USA (2014)
Sex sells: David Robert Mitchell lässt die Geister und Dämonen tanzen. Besser aber, wer immer prüde bleibt.
Joe
David Gordon Green, USA (2013)
Nicht die Bienen! Nicolas Cage atmet im tiefsten Texas ein Schauspiel, welches schon vergessen schien.
Land der Wunder
Alice Rohrwacher, Italien (2014)
Die wundersame Welt der Bienen: Eine Hommage ans Erwachsenwerden und eine Fabel zwischen Realität und Fantasie.
Leviathan
Andrey Zvyagintsev, Russland (2014)
Die Unbezwingbarkeit des Ungeheuers: Andrej Swjaginzews ausgezeichnetes Drama zeigt die Grenzen und die Kräfte der Macht.
Little Feet
Alexandre Rockwell, USA (2013)
Schwarz-Weiß-Kinder-Mumblecore: Ein Geschwisterpaar und ein dicker mexikanischer Junge suchen einen Freund für ihren Goldfisch.
Our Sunhi
Sang-soo Hong, Südkorea (2013)
Männer, Frauen, Alkohol: In vielen langen Einstellungen fängt Hong Sang-soo faszinierende Gespräche ein.
Palo Alto
Gia Coppola, USA (2013)
Hipstereske Clanverschränkung: Coppola dreht, Franco schreibt, Kilmer spielt. Coming-of-Age-Banalität ad absurdum geführt.
Rhymes For Young Ghouls
Jeff Barnaby, Kanada (2013)
Der Sieg über den Genozid: Ein Drama über die Misshandlungen an den Indianern in Kanada.
Ruin
Michael Cody, Australien (2013)
Überdosis: Zwei Australier zeigen eine Romanze in Kambodscha mit mäßigem Erfolg, aber schönen Bildern.
Sag nicht, wer du bist!
Xavier Dolan, Kanada (2013)
Wunderkind auf dem Land: In schönen Bildern erzählt Xavier Dolan einen Thriller mit Atmosphäre.
That Lovely Girl
Keren Yedaya, Israel (2014)
Vomit-Gore goes Arthouse: Keren Yedayas von Kritik und Publikum geschasstes Stück über Inzest und Masochismus.
The Green Jacket
Volodymyr Tykhyy, Ukraine (2013)
Tristesse aus der Ukraine: In Volodymyr Tykhyys Spielfilmdebüt sucht die junge Olya ihren Bruder, der verschollen ist.
The Harvest
John McNaughton, USA (2013)
Sie: John McNaughton kehrt mit einem Trauerspiel als Spielfilm zurück. Es ängstelt sehr.
The Homesman
Tommy Lee Jones, Frankreich (2014)
Bewältigung der Geschlechter: Tommy Lee Jones fördert im Western-Mythos das nötige Bestehen der Menschlichkeit.
The Skeleton Twins
Craig Johnson, USA (2014)
Geschwistertodesliebe: Bill Hader und Kristen Wiig spielen Bruder und Schwester in einem Film voller Verdruss.
The Zero Theorem
Terry Gilliam, Großbritannien (2013)
Experimente in dystopischen Zeiten: Das Ende des Orwell-Triptychons ist Terry Gilliams neuer, wunderbarer Film mit Christoph Waltz.
Under the Skin
Jonathan Glazer, Großbritannien (2013)
Kakophonie der Sinne: Jonathan Glazer definiert die und das Fremde als Missverständnis dieser Welt.
When Animals Dream
Jonas Alexander Arnby, Dänemark (2014)
Die Schöne ist das Biest: Ein Mystery-Thriller mit einer natürlichen Schönheit in düsterer Atmosphäre.
White Shadow
Noaz Deshe, Tansania (2013)
Okkultismus bis in den Tod: Noaz Deshe inszeniert unter exemplarischem Wackeln ein Leben in Tansania. Und die Zukunft gleich mit.
Wie der Wind sich hebt
Hayao Miyazaki, Japan (2013)
Miyazakis fantastischer Abschluss: Mit seinem letzten Film übertrifft sich die Anime-Legende noch einmal selbst.
Young Ones
Jake Paltrow, USA (2014)
Hallelujah, dröge Dystopie: Gwyneth Paltrows Bruder eröffnet ein schwammiges Imitat in ferner Zukunft. Mit Roboterkühen.
Zwei Tage, eine Nacht
Jean-Pierre Dardenne, Belgien (2014)
Gnade vor dem Kapitalismus: Die Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne erzählen aus dem Fundus des Lebens.
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