Alles ein bisschen entspannter angehen – das ist im Augenblick die Devise für einen gepflegten Lebensabend, da ja ohnehin bald der Sommer und somit auch die Ferienzeit vor der Tür stehen. So ist auch der Umgang mit sich selbst und den Mitmenschen etwas angenehmer, weil die Sonne Energie aufs Haupt strahlt und andere Wetterereignisse im Hinterstübchen der Atmosphäre eher eine längere Pause einwerfen. Herrlich blühende Zeiten, in denen man sich auch wenigstens mit etwas anderem beschäftigen kann, falls die Bahn oder auch die Post mal wieder streiken. Zum Beispiel mit dem Programm in Cannes, welches anhand seiner internationalen Filmfestspiele die französische Strandstadtatmosphäre mit bunten Zelluloid-Welten verbindet sowie Gemüter erhitzt. Wir werden da natürlich auch vor Ort sein – doch was bietet sich den Heimgebliebenen unter uns an?

Die Filme im Mai

Nun auf jeden Fall ein Kino, das offenbar noch nicht ganz in der Mentalität der Jahreszeit angekommen ist. Aber ist ja auch gut so – wenn sich kein Stress beziehungsweise Drama auf der Leinwand abspielen würde, wäre es ja eine furchtbar öde Angelegenheit. Deshalb darf es dort auch mal spuken, spritzen, regnen und auch herrlich explodieren, auf dass die Erdkruste bricht – mit einem lachenden und einem weinenden Auge lässt sich alles überstehen. Doch mit welchen Werken darf man besonders vorlieb nehmen? Um diese immens wichtige Frage für Euch Leser zu beantworten, haben wir wiederum fünf nach Kinostart sortierte Empfehlungen auf dem Herzen, die jede Gefühlslage durchackern können und dabei auch völlig neben der Spur laufen, bevor wieder die große Hitze und die kalte Dürre kommen.

Der Babadook

Kinostart: 7. Mai. Regie: Jennifer Kent.

Szene aus „Der Babadook“ © Capelight Pictures/Central

Szene aus „Der Babadook“ © Capelight Pictures/Central

Der Babadook“ ist viel mehr als eine platte Geistergeschichte: Stattdessen ist er ein packendes Horrordrama und einer der cleversten und schönsten Genrebeiträge der letzten Jahre, in dem eine Mutter ihren Sohn nicht nur vor einem Monster beschützen, sondern zu allererst mit ihren Gefühlen ihm gegenüber klarkommen muss. Der Babadook selbst hat so gut wie keine Screentime, was zunächst ungewöhnlich klingt, aber ausgezeichnet funktioniert. Obwohl nie komplett zu sehen, strahlt der Babadook mehr Gefahr und Präsenz aus als so ziemlich jede andere Kreatur in jüngerer Vergangenheit. Das hat nicht zuletzt mit der grandiosen Einführung des Monsters zu tun: Das im Film vorkommende Buch „Der Babadook“ ist derart unheimlich, dass dem Zuschauer spätestens ab diesem Moment die pure Angst vor dem Babadook im Nacken sitzt; ganz ohne Jump Scares und blutige Bilder.

Pitch Perfect 2

Kinostart: 14. Mai. Regie: Elizabeth Banks.

Szene aus „Pitch Perfect 2“ © Universal Pictures International Germany GmbH

Szene aus „Pitch Perfect 2“ © Universal Pictures International Germany GmbH

Obwohl beim Trailer noch mit den Augen gerollt werden durfte, entpuppt sich „Pitch Perfect 2“ um Frontfrau Anna Kendrick dennoch als fantastischer zweiter Teil. Die Geschichte muss kaum erwähnt werden – denn wie in Teil eins geht es um den Zusammenhalt in der Gruppe, um beinahe unbesiegbare Konkurrenten (toll: die deutschen Sound Machine) und einige kleine Einzelschicksale. Aber das Grandiose an diesem Film ist, wie sympathisch er all dies vereint. Elizabeth Banks gibt mit „Pitch Perfect 2“ ihr Spielfilmdebüt und kreiert eine gelungene Mixtur aus Komödie, Musikfilm und ein wenig Drama. Aber der Film verlässt sich nicht nur auf seine zwei wichtigsten Charaktere: Auch der restliche Cast agiert ausgezeichnet, selbst wenn sich einige Witze wiederholen. Die Musik und Choreografien sind wie bislang temporeich und es darf sowohl mitgetanzt als auch mitgesungen werden.

Dora – Oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern

Kinostart: 21. Mai. Regie: Stina Werenfels.

Szene aus „Dora - Oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern“ © Alamode Film/Filmagentinnen

Szene aus „Dora – Oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern“ © Alamode Film/Filmagentinnen

Es pochen die Impulse, die Sinne gehen ein und aus; der Blick ist ungeschärft, die Sprache am Rande des Notwendigsten. Stina Werenfels geht von Anfang an auf Tuchfühlung mit der Lebensperspektive ihrer Protagonistin und lässt ebenso einen neuen Blick auf das kontemporäre deutschsprachige Kino zu. In „Dora – Oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern“ versteckt sich nämlich etwas echt Aufregendes und zeigt sich uns nach und nach. Regisseurin Werenfels findet selbst in der Trennung wortlos Gemeinsamkeiten; verschärft die individuellen Leiden, modelliert aber auch beiderseits den notwendigen Blick zur (Un-)schärfe. Darin findet sie durchaus einen puren cineastischen Rausch, wie man ihn selten sieht – eben weil er die Oberfläche des Etablierten und Vorzeigbaren wegschwemmt und ins Innere und Sinnliche kehrt. Anregend, aufregend und abregend zugleich.

Kiss the Cook

Kinostart: 28. Mai. Regie: Jon Favreau.

Szene aus „Kiss the Cook“ © STUDIOCANAL GmbH Filmverleih

Szene aus „Kiss the Cook“ © STUDIOCANAL GmbH Filmverleih

Jon Favreaus „Kiss the Cook“ ist dabei zugleich das wohl fieseste Food-Porn-Rock-’n’-Roll-Musical unter kalifornischer Sonne und kubanischen Klängen wie ebenso die unabdingbare Rückkehr seines Regisseurs zu seinen Wurzeln im Independent, die er besonders nachhaltig mit den ersten zwei „Iron Man“ (2008 und 2010) kappte und nun großzügig sporadisch neu eröffnet. Als die drei Protagonisten irgendwann mitten in der Highway-Pampa lautstark zu Marvin Gayes „Sexual Healing“ singen und in ihrem Food Truck wippen, sprüht letztlich nur reines Herz aus jenem flüssigen Kern des Lavakuchens, den der Kritiker Ramsey Michel (ein genüsslicher Shortie: Oliver Platt) zu Beginn so verabscheut. „Kiss the Cook“ belegt zudem, dass eine konventionelle Struktur und Ausführung in drei Akten leidlich dekonstruktiv selbst kreative Elemente niederstrecken muss.

Die Maisinsel

Kinostart: 28. Mai. Regie: George Ovashvili.

Szene aus „Die Maisinsel“ © NEUE VISIONEN Filmverleih GmbH

Szene aus „Die Maisinsel“ © NEUE VISIONEN Filmverleih GmbH

Die Konzentration auf einen Schauplatz zieht den Zuschauer in George Ovashvilis „Die Maisinsel“ schnell in ihren Bann und lädt ein zur räumlichen Erfassung und zum Nachempfinden der umweltlichen Wärme, ohne dass sich der Protagonist als filmisches Vehikel erklären muss. Selbst, als dieser seine Enkelin Asida mit auf die Insel bringt und zusammen den Aufbau der notwendigen neuen Heimat vollzieht, behilft sich der Film keinem dramaturgischen Bogen, sondern erhöht die Sinnlichkeit im Verstehen sowie Theoretisieren des Handelns und der skizzenhaften Verhältnisse. Der alltägliche Wandel zwischen Arbeit, wortloser Hilfe und Ruhe reicht allein zur Empathie und zur reizvollen Vorstellung, in derartig friedfertiger Isolation zu wirken. Nach und nach legt der Film dann aber doch Texturen frei, die aus der etablierten Wahrhaftigkeit der Atmosphäre eher ein festes Narrativ zurecht stricken.

Weitere Starts im Mai

Ebenso in den hiesigen Lichtspielhäusern laufen an: „Die abhandene Welt“ und „Das Versprechen eines Lebens“ am 7. Mai; „Mad Max: Fury Road“, und „Zweite Chance“ am 14.; „Die Augen des Engels“, „A World Beyond“ und „Mein Herz tanzt“ am 21. Mai sowie „Ein Junge namens Titli“, „Lost River“, „Poltergeist“, „San Andreas“, „Tracers“ und „Das Zimmermädchen Lynn“ am 28. Mai.

Für alle, die sich ihre Hintern lieber oder vorrangig auf der heimischen Couch platt drücken, gibt es: „Einer nach dem anderen“ ab 1., „Die Entdeckung der Unendlichkeit“, „Exodus – Götter und Könige“, „Herz aus Stahl“ und „Serena“ ab 7. Mai, „Citizenfour“ und „Timbuktu“ ab 8., „The Best of Me – Mein Weg zu dir“ ab 15. Mai, „The Cobbler“ ab 19., „Der große Trip – Wild“, „Let’s be Cops – Die Party Bullen“ und „Mommy“ ab 21., „Mortdecai – Der Teilzeitgauner“, „The Gambler“ und „Unbroken“ ab 28. sowie „96 Hours – Taken 3“ und  „St. Vincent“ ab 30. Mai.

Meinungen

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