Im Film wohl würde die Menschheit jetzt den Blick nach oben wenden, hinauf zur glasigen Kuppel, später hinein in die Schwärze, vorbei an der aufsteigenden Raumfähre Endeavour, welche sich dann an die Internationale Raumstation ISS andockt, immer weiter an Sternen und anderweitigen Himmelskörpern vorbei, in Wurmlöcher und Kerr-Tunnel. Dorthin, wo wir niemals zuvor waren und von wo wir vielleicht niemals berichten können. Weil es ein Ende dieser Zivilisation bedeutet, aber das Aufbegehren einer neuen.
Auch CEREALITY begehrt auf – so sehr, wie wir in den unendlichen Weiten des World Wide Web nun mal aufbegehren können. Denn das Alte ist nicht mehr und wird nimmer sein. Es scheint jetzt durch ein neues, strahlendes Äußeres, durch eine visuelle Palette aus größenwahnsinnigen Illustrationen und allerhand archiviertem Material, welches zum Stöbern, Entdecken, Debattieren einlädt. Welches den Blick in den Himmel wagt wie Matthew McConaughey in Christopher Nolans „Interstellar“. Dieses neue Äußere mit all den knackigen Funktionen wollen wir feiern, wie es sich für eine Ausgabe mit der Nummer sieben auch gebührt: nämlich mit den Filmen, die ein jeder unserer Autoren liebt. Doch es soll keine Fanfare an die Perfektion werden, kein Plädoyer an den Größenwahn eines Mediums. Sondern es soll persönlich werden. Weil jeder Autor Werke wählte, die ihm am Herzen liegen, ihn formten und träumen ließen. Was schließlich ist Film, wenn nicht der Traum davon, die banale Normalität zu sehen und letztlich hinter sich zu lassen?
So zehren wir uns in bissige („Der weiße Hai“) und säurehaltige Kiefer („Alien“), in die Maskerade des Geschichtenerzählens, sowohl in der psychotischen Lüge („Fight Club“) als auch der geradezu wundervollen Wahrheit („Big Fish“), welche ebenso die Realität („Mulholland Drive“) umstülpt. Und natürlich blicken wir in die Sterne: in jene Ausgeburten der künstlichen Intelligenz, die mal hinterlistig („2001: Odyssee im Weltraum“), mal liebevoll („WALL·E“) ihre Existenz und Zweifel an ihr formieren. Selbst, als es von der allzu rosigen Vergangenheit („Stolz und Vorurteil“) in die scheinbar totgeweihte Zukunft geht („Armageddon“), folgen wir den Trommeln des Seattle Sound („Hype!“), engelsgleichen Sphären des Country („Last Radio Show“) und windigen Revuen des Nationalsozialismus („Frühling für Hitler“). Ob da nun sieben Sünden („Sieben“) oder zwei Häftlinge in einem Zug ins Nichts warten („Express in die Hölle“)? Vielleicht aber ist es nur ein Idealist („Barton Fink“), eine Feldmaus („Mrs. Brisby und das Geheimnis von NIMH“), ein Motorradnarr („Akira“), Nachrichtensprecher („Network“) oder ein Kleinwüchsiger („Freaks“). Was wir aber wohl wissen: Unser aller Herz hängt an ihnen!
Neben unserer Liebe für diese eigenartigen Stümper schweifen wir freilich wiederholt ab, zu den möglicherweise künftigen Wundern aktueller Produktionen: Da eskortiert eine Taube den Existenzialismus („Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach“) und ein Mann seinen Superhelden („Birdman“), eine Frau ihre Ehe („Serena“) und ein Genie seine Theorien („Die Entdeckung der Unendlichkeit“); da lockt die Genmutation („Teenage Mutant Ninja Turtles“) und Sexmanipulation („Plötzlich Gigolo“), der körperliche Exzess mittels Karma („Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombstones“), Nagelpistole („The Equalizer“) und Wikingermachete („Northmen – A Viking Saga“); da fordert uns die Gewalt der Kirche („Am Sonntag bist du tot“), die Gewalt gegenüber Frauen („Polytechnique“), die Gewalt des Vaters („Der Richter – Recht oder Ehre“) und die Gewalt des Knastes („Mauern der Gewalt“). Mehr noch sehen wir zu den Plagen („Exodus“), den unzeitlichen Sitten („Im Keller“) und neuzeitlichen Unsitten („#Zeitgeist“), den Reitern in der Nacht („The Homesman“) und Schwärmern am Tag („The Unforgiven“). Lasst uns daher gemeinsam entdecken, was hinter den Wolken einer Schauspielerin („Die Wolken von Sils Maria“) oder im Nebel eines Berges („Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere“) verborgen liegt! Denn wie sang Karen O. doch zu Beginn dieses Jahres? „All is love, is love, is love, is love“. Und wir werden darauf zurückkommen – am Ende des Jahres.
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